| Nr. 125/09

zu TOP 7, 24, 25, 26 und 31: Eine Entscheidung von enormer Tragweite

Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn

Der Entscheidung über die Neuausrichtung der HSH Nordbank, über die wir heute mit dem Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein in erster Lesung beraten, sind eine Vielzahl von Gesprächen, Anhörungen, Sitzungen und gemeinsamen Beratungen der Fraktionen in den letzten Wochen und Monaten vorausgegangen.

Fast täglich haben uns Anfragen von besorgten Bürgern und Unternehmen und nicht zuletzt auch von Mitarbeitern der existenzbedrohten HSH Nordbank erreicht. Es sind aufwühlende Zeiten, in denen wir zwischen Entsetzen und Erleichterung schwanken. Erstmals zwingt uns die weltweite Finanzkrise, deren Ursprung – viele Jahre zurück - in der amerikanischen Immobilienkrise liegt, zu einer Entscheidung über die Existenz einer systemischen Bank in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Die Chronologie dieser Krise bei der HSH Nordbank beginnt bereits im November 2007: Wie andere Landesbanken in Deutschland geriet sie immer stärker in den Strudel der internationalen Finanzkrise: Abschreibungen, Wertberichtungen und Kapitalbedarf stiegen dramatisch an, der geplante Börsengang liegt auf absehbare Zeit auf Eis. Dabei ist die HSH Nordbank ein führender Finanzdienstleister im Transportbereich und weltweit größter Schiffsfinanzierer. Sie hat eine herausragende Bedeutung für die Region.

Wir stehen als Abgeordnete also vor einer Entscheidung von enormer Tragweite für unser Land, für die HSH Nordbank und ihre Mitarbeiter, aber auch für die Wirtschaft und das gesamte Bankensystem in Deutschland.

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, dass wir vor einer Renaissance der Politik stehen, in der der Staat als letzter Retter in der Not gesehen wird. Nachdem Banken und Wirtschaft – genauer gesagt: viele Unternehmensleitungen – versagt haben, haben die Bürger wie selten zuvor in den vergangenen Jahrzehnten so Hilfe suchend auf Regierung und Opposition geschaut. Auch schwankend zwischen Entsetzen, Sorge um den eigenen Arbeitsplatz, Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung und Hoffnung auf schnelles Vorbeiziehen der Krise an einem selbst.

Die globalen Finanzmärkte haben ganz offenkundig versagt. Viele Banker schweigen je tiefer die Finanzwirtschaft in die Krise gerutscht ist. Dies ist die beste Gelegenheit für Regierung und Parteien, das erschütterte Vertrauen der Menschen in unser System der Sozialen Marktwirtschaft zurück zu gewinnen. Denn mit der Renaissance der Politik erleben wir zugleich auch eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft.

Ich möchte an dieser Stelle für die CDU-Fraktion sagen, dass ich außerordentlich froh über das bisherige Verfahren bin. Angesichts der Tragweite der gemeinsamen Entscheidung mit der Hamburger Bürgerschaft hat es sich als richtig erwiesen, dass wir uns bei den Lesungen eng mit Hamburg abgestimmt haben.

Wir haben in den Koalitionsfraktionen und im gesamten Parlament sorgfältig und intensiv beraten, insbesondere in den vielen Sitzungen des Finanzausschusses.

Vor allem die letzte Sitzung des Finanzausschusses vom vergangenen Donnerstag über mehrere Stunden hinweg hat viele kritische Punkte beleuchtet und die eine oder andere Frage geklärt. Die wertvollen Stellungnahmen des Leiters des Bankenrettungsfonds SoFFin, Herrn Dr. Rehm, und des Präsidenten der Finanzaufsicht BaFin, Herrn Sanio, haben bei der Entscheidungsfindung für Klarheit gesorgt und zur Linderung all unserer Bauchschmerzen beigetragen.

Ich möchte mich an dieser Stelle – und das kann ich wohl für alle Kollegen im Parlament sagen – für die sorgfältige Vorbereitung und die konstruktive Leitung der Sitzung durch den Vorsitzenden des Finanzausschusses und Parlamentskollegen, Herrn Neugebauer, bedanken.


Die Fachleute haben uns drei elementare Punkte bestätigt:

1.) Es gibt keine empfehlenswerte und besser geeignete Alternative zum vorgeschlagenen Fortführungsmodell. Dieses gilt unabhängig vom konkreten Verlauf der Weltwirtschaftskrise.

2.) Das vorgeschlagene Geschäftsmodell erweist sich als trag- und zukunftsfähig.

3.) Wir haben für die Entscheidung nur wenig Zeit. Der vereinbarte Zeitplan muss gehalten werden.

Zum ersten Punkt: Warum gibt es für Schleswig-Holstein und die HSH Nordbank keine zweckmäßigere und ratsamere Alternative?

Herr Sanio von der BaFin und Herr Dr. Rehm vom SoFFin haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine ungeordnete Abwicklung der HSH Nordbank zur Insolvenz und letztlich zum Untergang der Bank führen würde. Dies hätte fatale Folgen für den gesamten Bankensektor in Deutschland und eine erheblich größere Haushaltsbelastung für unser Land zur Folge.

Denn die HSH Nordbank gehöre, so Herr Sanio und Herr Dr. Rehm, eindeutig zu den 60 deutschen Banken, deren Untergang erhebliche oder unabsehbare Folgeschäden bei Dritten nach sich zögen. Zu diesen systemrelevanten Banken zählen alle Landesbanken. Wenn eine von diesen Landesbanken untergehe, dann ziehe sie alle anderen mit. Hinzu käme die drohende Gewährträgerhaftung aus altem Recht.

Das abschließende Fazit von Herrn Sanio zu diesem Szenario war: „Mit dem Gedanken an eine Insolvenz auch nur einen Moment zu spielen, halte ich völlig für verantwortungslos.“

Der Weg einer geordneten Abwicklung der HSH Nordbank wäre gleichermaßen mit erheblich größeren Risiken verbunden. Denn auch bei einer geordneten Abwicklung müsste das Land als Anteilseigner die bankenaufsichtsrechtliche Mindestkapitalnorm beachten und damit für eine Rekapitalisierung sorgen. Die Bank hätte nur noch das Abwicklungsziel.

Zu diesem Szenario sagte Herr Sanio (BaFin) wörtlich: „Ich sehe das als gefährliches Experiment an, kann Ihnen aber nicht im Einzelnen darlegen, wie der Markt reagiert.“

Im Ergebnis heißt das – und das haben uns auch externe Berater gesagt -: Es gibt keine vernünftigere und ratsamere Alternative zum vorgeschlagenen Fortführungsmodell.

Zum zweiten Punkt: Warum sehen wir zum vorgeschlagenen Geschäftsmodell keine andere Möglichkeit?

Herr Dr. Rehm vom SoFFin hält das vorgeschlagene Geschäftsmodell nach Prüfung für trag- und zukunftsfähig, weil es eine Konzentration auf die Kernkompetenzen, das Know-how der Mitarbeiter und die gewachsenen Kundenbeziehungen, setzt. Und ebenso weil das Geschäftsmodell grundsätzlich auch größere Lösungen in ferner Zukunft ermöglicht und diese nicht verbaut. Auch diese Aussage haben uns externe Berater bestätigt.

Zum dritten und letzten Punkt: Warum drängt uns die Zeit für eine Entscheidung so?

Wenn sich in der Jahresabschlussprüfung ein Verlust konkret herausstellt, dann ist die Bankenaufsicht von Gesetzes wegen dazu angehalten, die Eigentümer zur Rekapitalisierung anzuhalten. Hierbei hat die BaFin einen engen Ermessensspielraum, der sich aber immer mehr verkürzt, sofern kein fester erklärter Wille zahlungskräftiger und zahlungswilliger Eigentümer vorhanden ist. Ansonsten drohen bankenaufsichtsrechtliche Maßnahmen, die das Ende der Bank bedeuten würden.

Uns allen fällt solch eine Entscheidung merklich schwer, weil wir jedes denkbare Szenario nur auf Plausibilität prüfen können. An dieser Situation würde sich auch nichts ändern, wenn wir weitere Zahlen, Berichte und Ratschläge weiterer Experten auf dem Tisch hätten.

Selbst die Fachleute vom SoFFin und von der BaFin können uns keine belastbare Aussage über die Zukunft geben. Diese Ungewissheit haben aber alle anderen Banken, seien es die großen oder die kleinen, gleichfalls vor Augen.

Herr Sanio von der BaFin hat es mit dem Zitat von Karl Valentin auf den Punkt gebracht: „Sicher ist, dass nichts sicher ist.“ Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Alle Bedenken lassen sich nicht ausräumen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Situation der HSH Nordbank grundsätzlich gar nicht für eine öffentliche Diskussion eignet, da die globalen Finanzmärkte draußen genau zuhören und angesichts der sensiblen Situation jede kleine Äußerung zum Missverständnis und ganz schnell zu Liquiditätsproblemen für eine Bank führen kann. Bei vielen Angelegenheiten handelt es ich um Interna des Geschäftsbereiches der Bank.

Im übrigen kommt hinzu, dass wir die komplexen Vorgänge bei der HSH Nordbank weder selbst vollständig nachvollziehen geschweige denn den Menschen im Land verständlich vermitteln können.

Bei jeder Krise gibt es eine Menge Schuldige. Es sind eine Reihe von Fehlern auch bei der HSH Nordbank vorgekommen. Das hat Herr Dr. Nonnenmacher in einem Interview eingestanden.

Zu den ungemütlichen Fragen gehört auch die nach der Verantwortung des Staates. Man muss kein Finanzexperte sein, um zu wissen, dass Menschen um des Profit willens die unglaublichsten Dinge tun, wenn man sie lässt: Sie verfüttern Schafe an Rinder, kippen Abfälle in die Wurst und leiten Giftmüll ins Wasser. Die Soziale Marktwirtschaft kennt auf das Problem gesellschaftsschädlichen Gewinnstrebens, dass die Kosten individuellen Fehlverhaltens auf die Allgemeinheit abwälzt, zwei Antworten: Preis und Kontrolle.

Der Preis für den Verursacher kann eine Abgabe oder Strafe sein. Die Kontrolle von oben schafft die Voraussetzung für die Einhaltung der aufgestellten Marktordnung. Die Soziale Marktwirtschaft ist allen anderen Systemen überlegen, weil sie auf Freiheit und Verantwortung setzt, Kreativität schafft, eine Dezentralisierung von Macht verlangt und weil sie auch einen Ordnungsrahmen voraussetzt.

Unser Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede gestern ausdrücklich betont, dass wir einen starken Staat brauchen, der dem Markt Regeln setzt und für ihre Durchsetzung sorgt. Denn Marktwirtschaft lebe, so der Bundespräsident, vom Wettbewerb und von der Begrenzung wirtschaftlicher Macht. Das ist die Idee der Sozialen Marktwirtschaft.

Wir brauchen einen globalen Ordnungsrahmen mit einer effektiven Bankenaufsicht. Die Globalisierung allein führt nicht zur Ohnmacht zur Politik. Aber sie stellt uns eben vor ganz neue Herausforderungen.

Trotzdem stehen wir als Abgeordnete in der Verantwortung. Wir sind zu einem sehr verantwortungsvollen Handeln im Interesse der Steuerzahler, des Landes, der HSH Nordbank und ihrer Mitarbeiter sowie im Interesse der Gesamtwirtschaft aufgerufen. Dies beinhaltet ein ständiges Abwägen verschiedener Gesichtspunkte.

Wie wollen wir den Menschen erklären, dass wir allein aus Unsicherheit heraus dem vorliegenden Staatsvertrag nicht zustimmen, wie es die Grünen beabsichtigen?

Damit treffen die Grünen ganz klar eine Entscheidung für den Untergang der HSH Nordbank mit all seinen fatalen Auswirkungen. Dies haben die Fachleute vom SoFFin und von der BaFin deutlich gemacht. Das Zeitfenster für eine Fortführung ist klein. Wird es nicht genutzt, dann geht der Weg gezwungenermaßen in Richtung Insolvenz.

Von jedem kleinen und größeren Unternehmen erwarten die Menschen, dass sie sich den Herausforderungen der Krise stellen und alles tun, um eine Zukunftsperspektive zu bieten. Dieser Verantwortung müssen sich auch die Grünen im Landtag stellen, die bei der HSH Nordbank ebenfalls mit im Boot sitzen. Sie können sich aus dieser Verantwortung nicht davon stehlen.

Sind sie für die Abwicklung oder sind sie für eine Neuausrichtung der Bank?

Ihre Ablehnung des Staatsvertrages zur Restrukturierung der Bank begründen sie in ihrem Beschluss der Landtagsfraktion vor allem mit fehlenden Rahmenbedingungen über eine Ergänzung des Verhaltenscodex, über eine Kontrolle der Geschäfte und ein Ausstiegsszenario des Landes.

Auf eine Ergänzung der Verhaltenscodex geht die Gesetzesbegründung zum Staatsvertrag unter Auflagen ausdrücklich ein. Ebenso auf eine wirksamere Kontrolle durch die Aufsichtsgremien der Bank in der Zukunft.

Insofern ist ihre Argumentation angesichts des engen Zeitfensters für eine Entscheidung nicht trag- und zukunftsweisend.

Die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD haben sich in einer gemeinsamen Resolution darauf verständigt, dass die zum Staatsvertrag dargelegten neuen Regeln der good governance als feste Bedingungen für gewährte Hilfen vereinbart werden.

Liebe Kollegen der Grünen, schließen sie sich unserer Resolution an!

Daneben setzten wir uns als Koalitionsfraktionen für eine aktive Beteiligung des Beteiligungsausschusses an der vertraglichen Ausgestaltung zwischen Anstalt und HSH Nordbank, insbesondere was die Vereinbarung von Eigentümergarantien betrifft, ein.

Darüber hinaus erwarten auch wir, eine fortlaufende Begleitung der Geschäftstätigkeit der HSH Nordbank durch Regierung und Parlament. Dazu gehört gleichfalls die Installation eines Frühwarnsystems bezüglich der künftigen Risikoentwicklung.

Sie sehen also, bei den Zielen und Bedingungen sind wir alle nicht weit auseinander.

Ich kann aufgrund meiner schon dargelegten Ausführungen und der gegenwärtigen Perspektiven an alle Abgeordneten nur appellieren, dem vorliegenden Staatsvertrag zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein zuzustimmen.

Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:

Pressesprecher
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel
Telefon: 0431/988-1440

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