| Nr. 079/09
zu TOP 6: Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist ein sorgfältig abgestimmter Kompromiss
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Staatsverträge haben Vor- und Nachteile.
Kritische Stimmen kommen häufig von uns Parlamentariern:
Wir fühlen uns – vor allem im Bereich der Rundfunk- und Mediengesetzgebung – häufig von der Exekutive und deren Vorlagen „überfahren“, da wir als Legislative vermeintlich nur noch aufgefordert werden, Gesetze „abzunicken“ oder „durchzuwinken“.
Im Falle des uns vorliegenden 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages überwiegen jedoch eindeutig die Vorteile von Staatsverträgen:
Zum einen hat hier die praktische Umsetzung des Parlamentsinformationsgesetzes zwischen Landesregierung und Landtag sehr gut funktioniert:
Wir sind gut 10 Mal schriftlich oder mündlich umfassend über die aktuellen Überlegungen zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf dem Laufenden gehalten worden.
Zum anderen liegt mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag – der von einigen Enthusiasten sogar als „Magna Charta des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ bezeichnet wird – ein über Partei-,
Institutionen-, Bundes- und Landesgrenzen hinweg sorgfältig abgestimmter Kompromiss vor uns, mit dem alle Beteiligten gut und vernünftig leben können.
Insofern ist mir rätselhaft, sehr geehrter Herr Kollege Eichstädt,
wie Sie Anfang Oktober 2008 öffentlich zu der Beurteilung gelangen konnten, dass der
– ich zitiere Sie –
„Entwurf nach Auffassung der SPD-Fraktion die verfassungsrechtlich vorgegebene Entwicklungsgarantie und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in unzulässiger Weise einschränkt. Dies gilt insbesondere für die Internetauftritte“.
Das Gegenteil ist der Fall:
Nicht nur der wissenschaftliche Dienst des Landtages hat Ende November 2008 bestätigt, dass die materiell-rechtlichen Bestimmungen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages für den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insbesondere im Bereich der Telemedien verfassungsgemäß sind.
Überdies sind die Leitlinien der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom September 2007 in der Tradition bisheriger Urteile zukunfts- und sachgerecht nachgezeichnet worden.
Selbst Brüssel hat jetzt nichts mehr auszusetzen. Dies hat die Generaldirektion Wettbewerb der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei Ende November 2008 schriftlich bestätigt.
Über die Konkretisierung der Beauftragung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Rundfunk und Telemedien, die Vorgaben für kommerzielle Tätigkeiten und Beteiligungen sowie deren Kontrolle hinaus wird mit dem vorliegenden Vertrag eine Medienordnung geschaffen, die sogar schon ganz konkrete Vorgaben der Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste beinhaltet, obwohl diese eigentlich erst bis Ende 2009 in deutsches Recht umzusetzen ist.
Besonders augenscheinlich wird dies anhand des neuen Rundfunkbegriffs, der als linearer Informations- und Kommunikationsdienst zur Verbreitung von Angeboten geeignet ist oder durch den Begriff der „Angebote“, der die alten „Darbietungen“ ersetzt.
Es ist insgesamt gelungen, einen gerechten und ausgewogenen Ausgleich zwischen den Kompetenzen und Bedürfnissen der verschiedenen Mediengattungen wie Presse, Rundfunk und „Online“ untereinander zu schaffen.
Von einem Verdrängungswettbewerb zu Lasten der freien Presse kann hier keine Rede sein. Die Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bringt zwangsläufig eine stärkere publizistische Konkurrenz mit sich. Die Rundfunkfreiheit beinhaltet aber gerade eine Vielfalt der Meinungen, die durch unsere Verfassung gewollt ist.
Dass private Anbieter weniger Aufmerksamkeit erhalten als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ist auch nicht zu befürchten, schaut man sich nur die Abrufe des Marktführers Spiegel Online an.
Abgesichert wird der Ausgleich unter den verschiedenen Mediengattungen untereinander und insbesondere zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk unter anderem durch so genannte „Negativlisten“ für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie den viel zitierten „Drei-Stufen-Test“ zur Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages.
Auch und insbesondere im Hinblick auf diese Verfahrensgestaltung des „Drei-Stufen-Tests“ haben die Europäische Kommission und das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber und den Anstaltsgremien als demokratisch legitimierte, unabhängige und neutrale Sachwalter des Allgemeininteresses einen großzügigen prozeduralen Gestaltungsspielraum an die Hand gegeben.
Aufgrund dieser Gestaltungsfreiheit muss die Prüfung der Zulässigkeit von neuen nichtsendungsbezogenen Telemedien durch besagten „Drei-Stufen-Test“ auch nicht zwingend durch ein neutrales Sachverständigengremium festgestellt werden. Schon seit Beginn der Rundfunkrechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass die Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen – also auch wir Politiker – dazu in der Lage und verfassungsrechtlich taugliche Organe sind, die Verfassungsmäßigkeit der Rundfunkfreiheit auch organisatorisch zu sichern. Hier von „mangelnder objektiver Kontrolle“ oder „mangelnder funktioneller Kompetenz“ zu sprechen, würde bedeuten, unser eigenes ausgewogenes Urteilsvermögen grundsätzlich in Frage zu stellen.
Überdies ist gutachterliche Beratung zwingend hinzuzuziehen und deren Beteiligung transparent zu machen. Für eine objektiv-rechtliche Komponente ist also ebenso gesorgt wie für umfassenden objektiver Rechtsschutz, denn im äußersten Fall steht den Betroffenen Dritten der Rechtsweg zu den zuständigen Verwaltungsgerichten offen.
Sie sehen also, der Entwurf des Gesetzes zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gewährt allen Beteiligten in jedem Verfahrensstadium umfassenden und objektiven Rechtsschutz.
Das Gesetz sorgt in unserer dualen Rundfunkordnung daher vor allem für einen gerechten Ausgleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanbietern, welcher der Unionsfraktion und mir sehr am Herzen liegt.
Ich ermutige Sie daher, diesem vorab sorgfältig abgestimmten Gesetzesentwurf gemeinsam mit mir zuzustimmen und ihn anschließend in der Medien-Praxis mit Leben zu füllen!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel