| Nr. 275/09
zu TOP 38C
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
In der heutigen Abstimmung wird der schleswig-holsteinische Landtag nun das vollziehen, was mittlerweile der politische Wille aller Fraktionen dieses Hauses ist: Die Auflösung des Landtages zum Zwecke einer Neuwahl am Tage der Bundestagswahl.
Natürlich hätte diese Abstimmung eigentlich genau dieses Ergebnis schon am Montag erbringen können und nach unserer Ansicht auch müssen. Die Oppositionsfraktionen von FDP, Bündnis 90/Den Grünen und SSW hatten schon in der Mai-Sitzung dieses Landtages eine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode politisch gefordert.
Mit ihrer Entscheidung vom vergangenen Mittwoch hat sich die CDU-Landtagsfraktion dieser Auffassung angeschlossen. Spätestens seit dem vergangenen Freitag tritt auch die SPD-Fraktion nach den Verlautbarungen ihres Vorsitzenden für eine vorzeitige Beendigung der Wahlperiode und die Auflösung des Landtages ein.
Dies ist durch folgende Bekundungen Dr. Stegners deutlich geworden:
1.) In seiner Rede zur vorzeitigen Beendigung der Wahlperiode am 17.7:
„…wir brauchen einen Neuanfang und es wird Neuwahlen geben müssen.“
2.) Im Deutschlandfunk am 18.7 zu Neuwahlen:
„…Es wird Neuwahlen geben und die SPD wird dem nicht im Wege stehen.“
„… Auch die SPD ist dafür - die Koalition ist ja kaputt -, dass es bald zu Neuwahlen kommt, die wird es ja auch geben …“
3.) Beschluss der SPD-Fraktion vom 20.7:
Punkt 6.: „Die SPD-Fraktion wird vorgezogene Neuwahlen nicht blockieren. Die Menschen wollen nunmehr keinen Dauerstreit, sondern eine schnelle Lösung.“
Wir holen also die Abstimmung vom Montag unter einem anderen Tagesordnungspunkt quasi nur nach. Doch zeigt auch die Überschrift zu Artikel 36 der Landesverfassung, worum es hier geht: „Vorzeitige Beendigung der Wahlperiode durch die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten.“
Es ist kein Ruhmesblatt der deutschen Parlamentsgeschichte, dass die sozialdemokratische Fraktion am Montag mit „Nein“ stimmte, doch offiziell fortwährend erklärte, sie wolle diese Wahlperiode vorzeitig beenden.
Doch jetzt ist alles klar: Wie selbstverständlich hat der SPD-Fraktionsvorsitzende darauf bestanden, soeben vor mir und nach dem Ministerpräsidenten, also als Oppositionsführer in diesem Hause, zu sprechen. Damit wird das Manifest, was Grundlage einer Entscheidung nach Artikel 36 der Landesverfassung ist. Die Klärung der Frage, ob der Regierungschef noch eine stabile Mehrheit in diesem Hause hinter sich hat, nachdem die vormalige Koalitionsfraktion SPD sich als Opposition sieht.
Ich bin mit meiner Fraktion der Auffassung, dass dies aus den Gründen, die der Herr Ministerpräsident soeben dem hohen Hause erläutert hat, nicht mehr der Fall ist. Deshalb werde ich mich bei der kommenden Abstimmung der Stimme enthalten. Zugleich habe ich meiner Fraktion empfohlen, sich ebenfalls zu enthalten. Allerdings halte ich diese Frage in dieser konkreten Verfassungssituation für eine Gewissensentscheidung einer jeden Abgeordneten und eines jeden Abgeordneten.
Artikel 11, Absatz 1, Satz 2 unserer Verfassung sagt dazu: „Bei der Ausübung Ihres Amtes sind Sie nur Ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“. Diese Entscheidung und dieser Weg fällt vielen von uns nicht leicht. Ich bin im Übrigen nicht der Meinung eines Kommentators, die große Koalition träte mit leeren Händen vor die Wählerinnen und Wähler. In diesem Regierungsbündnis wurde gerade zu Beginn vieles erreicht.
Die Verknüpfung von Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik unter Minister Dietrich Austermann erwies sich als ebenso sinnvolle wie effektive Zusammenführung der Stärken unseres Heimatlandes.
Ob es um die wissenschaftlichen Exzellenzcluster, die gezielte Strukturförderung im Schleswig-Holstein-Fonds oder das Vorantreiben schon visionärer Infrastrukturmaßnahmen wie der Festen Fehmarnbeltquerung ging, diese Landesregierung unter Führung von Peter Harry Carstensen sorgte für Wachstum, Zuversicht und Arbeitsplätze!
Gemeinsam mit Umwelt- und Landwirtschaftsminister Dr. Christian von Boetticher gelang es, eine moderne Umweltpolitik mit den Menschen und nicht gegen sie zu machen. Unser Landesnaturschutzgesetz schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und nimmt die Menschen unseres Heimatlandes auf diesem Wege mit!
Ausdrücklich möchte ich die erfolgreiche Politik in den bisher sozialdemokratisch verwalteten Ressorts hinzuzählen: Mit Innenminister Dr. Ralf Stegner verabschiedeten wir ein Polizeigesetz, welches gegen mannigfache Widerstände durchgesetzt werden musste, aber das Prädikat „Wir sichern Recht und Ordnung und stärken unserer Polizei den Rücken!“ wirklich verdient hatte.
Ebenso gehören moderne und zukunftsgerichtete Gesetzesvorhaben wie das gemeinsam mit Justizminister Uwe Döring erarbeitete Jugendstrafvollzugsgesetz und das mit Sozialministerin Dr. Gitta Trauernicht erarbeitete Jugendschutzgesetz zu den Erfolgen der Großen Koalition.
Ich bleibe auch im Vorfeld eines Landtagswahlkampfes dabei, dass unser neues Schulgesetz richtig war und der jahrzehntelange Streit zwischen rechts und links um das richtige Schulsystem in unserem Land zu Recht beendet wurde. Dies ist auch ein Verdienst von Ute Erdsiek-Rave. Mit Lothar Hay als Fraktionsvorsitzendem und Innenminister haben wir gut zusammengearbeitet.
Von Anfang an im Fokus unserer Politik musste jedoch die Haushaltslage des Landes stehen. Schwieriger hätte die Ausgangslage kaum sein können: Der vom damaligen Finanzminister Dr. Stegner vorgelegte Haushalt, den er verharmlosend später einmal „Wahlkampfhaushalt“ nannte, verschleierte eine Nettoneuverschuldung für das Jahr 2005 von sage und schreibe 1,7 Milliarden Euro.
Von Anbeginn an hat die CDU in diesem Politikbereich einen völlig anderen Schwerpunkt gesetzt als viele, nicht alle Sozialdemokraten in diesem Hause. Es geht, wie ich es in der Debatte der vergangenen Woche, die dem Koalitionsausschuss gewidmet war, schon betont habe, um nachhaltige Politik.
Finanzminister Rainer Wiegard, der ganz neue Schwerpunkte in der schleswig-holsteinischen Finanzpolitik gesetzt hat, hat dieses Haus in den Haushaltsberatungen immer wieder auf seine Verantwortung für die kommenden Generationen hingewiesen.
Er hat gemeinsam mit uns erreicht, dass erste, wichtige Weichenstellungen zu einer Konsolidierung unseres Haushaltes gestellt werden konnten. Doch letztlich – der Herr Ministerpräsident hat die Entwicklung nach dem letzten Koalitionsausschuss beschrieben – fehlte an den entscheidenden Weichenstellungen der SPD in Gänze die Kraft und die Bereitschaft, wirklich das Ruder herumzuwerfen.
Zu einer Politik, die das Land jedoch sehenden Auges in den Abgrund führt, davon mit dem verniedlichenden Ausspruch „Wir können doch das Land nicht kaputt sparen“ ablenkt, ist die CDU-Fraktion gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister Rainer Wiegard nicht bereit.
Diese Auffassung ist Grundlage unserer Finanzpolitik in den vergangenen 4 Jahren gewesen. Wir haben ihr schon in dem ersten gemeinsamen Entschließungsantrag der damaligen Koalitionsfraktionen Ausdruck verliehen.
Wieder und wieder haben wir erleben müssen, dass diese Politik letztlich nicht getragen wird – wie anders kann man sich das „Theater“ um die irrsinnigen Versprechungen hinsichtlich zweier weiterer Kindergartenjahre erklären.
In einer heute stattfindenden Debatte muss einiges zum Thema HSH-Nordbank gesagt werden:
Der Kollege Dr. Stegner hat zunächst die Behauptung erhoben, es gehe darum, vom Thema HSH-Nordbank abzulenken.
Dazu ist aus Sicht meiner Fraktion zu sagen, dass ich es für schlicht ausgeschlossen halte, dass irgendjemand – wenn er es denn wollte – von diesem Thema ablenken könnte. Denn das Thema HSH-Nordbank ist für unser Bundesland schlichtweg existentiell, möglicherweise sogar Existenz bedrohend.
Dieser Landtag ist auch mit Stimmen meiner Fraktion im Frühjahr dieses Jahres Verbindlichkeiten in einem Volumen eingegangen, welche einmalig für unser Bundesland sind. Diese Entscheidung ist nach sorgfältigem Abwägen und der Inanspruchnahme umfänglicher Beratung erfolgt.
Allein dieses Engagement verlangt von jedem verantwortlichen Landespolitiker, dass auch jeder Winkel der Bank daraufhin ausgeleuchtet wird, wie es zu einer derart katastrophalen Entwicklung unserer gemeinsamen Landesbank kommen konnte.
Zwar sind auch andere Banken, auch andere Landesbanken in einer ähnlich schwierigen Situation. Dennoch ist es unabweisbar, dass es unsere Landesbank besonders schwer erwischt hat und es gibt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem unverantwortliches Handeln vorausgegangen ist.
Deshalb wird die CDU-Landtagsfraktion ihrer Nachfolgefraktion ans Herz legen, die im jetzigen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss begonnene Arbeit fortzusetzen. Dies hat meine Fraktion beschlossen.
Dabei wird selbstverständlich das Handeln aller Akteure in der Bank, wie auch aller Aufsichtsgremien zu beleuchten sein. Dies gilt selbstverständlich ohne Ansehen der Person.
Nur damit dies jetzt auch klar ist: Wir werden in diesem Zusammenhang auch aufzuklären haben, wie es in den Jahren 1996 bis 2005 zu fast 60 Milliarden Gewährträgerhaftung kommen konnte, für die das Land jetzt in der Verantwortung steht. Wenn es stimmt, dass das KPMG-Gutachten dies ursächlich auf das so genannte Schnellankaufverfahren zurückführt – so der Norddeutsche Rundfunk – dann muss geklärt werden, wer dafür ab 2004 im Risikoausschuss Verantwortung trug.
Im Übrigen wird das Land gemeinsam mit der Hansestadt Hamburg alle Kräfte aufbieten müssen, um diese HSH-Nordbank zu stabilisieren, Risiken zu minimieren und sich möglichst schnell von dieser Bank zu trennen.
Es wird voraussichtlich eine der Herkules-Aufgaben der neuen Landesregierung werden, dies – in welcher personellen Zusammensetzung seitens der Bank selber auch immer – schnell und effektiv fortzuführen.
Die Umstände der von Herrn Nonnenmacher in skandalöser Weise geltend gemachten Sonderzahlung sind in diesem Hause mehr als ausreichend diskutiert.
Hier gilt, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Stegner, was Sie vielleicht auch in anderen Fragen hätten beherzigen sollen: „si tacuisses, philosophus mansisses!“
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Es liegt mir fern, Ihnen als jetzigem und möglicherweise auch zukünftigem Oppositionsführer in diesem Hause das Wort zu verbieten. Doch weder lässt sich in diesem Falle eine maßgebliche Beteiligung der Sozialdemokratie an diesem Entscheidungsprozess leugnen, noch sollten ihre Beiträge stilprägend sein. An Begriffe wie „würdelos“ oder „stillos“ hat man sich schon fast gewöhnt, nunmehr handelt der Ministerpräsident nach Ihrer Auffassung „schäbig“; Sie erkennen einen „schlimmen Rückfall in die Zeiten von früher“ – was soll das eigentlich genau bedeuten, sind wir da wieder bei Ihrem Twitter-Eintrag von vergangener Woche?; und dann hören wir Sie in dem gleichen Fernsehbeitrag noch dreimal „Schande“ und viermal „Lüge“ bzw. „gelogen“ sagen. Bei allem Respekt vor Ihrem Intellekt und Ihrem akademischen Werdegang erlaube ich mir an der Stelle einen deutlichen Appell an Ihre gute Kinderstube.
Ich glaube nämlich, dass gerade CDU und SPD, und ich nehme mich persönlich und meine Partei und Fraktion ausdrücklich mit in die Pflicht, gerade wegen der früher offenkundigen Feindseligkeit und der damit verbundenen gegenseitigen nicht immer nur verbalen Verletzungen eine besondere Verantwortung für den politischen Stil der Zukunft haben.
Deswegen muss für den jetzt kommenden Wahlkampf gelten: Hart, aber fair!
Dieser Wahlkampf kann reinigend und klärend für das politische Klima und die Konstellationen in Schleswig-Holstein sein. Wir alle haben gelernt, dass Umfragen nicht das Wahlergebnis sind. Deshalb steht allen Beteiligten auch Demut gut an. Nichts ist gewonnen, nichts ist zerronnen. Hören wir auf, uns gegenseitig Mätzchen, Taktierereien und Ähnliches zu unterstellen und hinreichende Sekundärtugenden abzuerkennen.
Lassen Sie uns in dem normalen Streben jeder politischen Bewegung, politische Macht auszuüben, mit möglichst viel Sachpolitik um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger kämpfen.
Lassen Sie uns dazu in der jetzt folgenden Abstimmung den Weg freimachen!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel