| Nr. 355/11
zu TOP 35 HSH Nordbank
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Stellen wir uns einmal vor, ein 18jähriger Fahranfänger bekommt von seinen Eltern einen schicken Sportwagen geschenkt, weil der alte VW-Golf gerade den Geist aufgegeben hat. Kurze Zeit später landet der schnelle Flitzer mit Totalschaden an einem Baum. Dann kann man natürlich kritisieren, dass der Fahrlehrer sein Job nicht gut gemacht hat, man kann auch die Werkstatt beschuldigen, den Wagen nicht optimal gewartet zu haben und selbstverständlich kann man der Polizei vorwerfen, dass sie den jungen Raser nicht schon längst vorher gestoppt hat.
Letztendlich bleibt es aber dabei: Die eigentliche Ursache für den Unfall war die Anschaffung eines vollkommen ungeeigneten weil viel zu riskanten Fahrzeugs. Und daran ändert sich auch nichts, wenn Onkel Ralf selbstbewusst behauptet: „Bis 50 Meter vor dem Aufprall war alles in bester Ordnung, bis dahin lief der Wagen reibungslos und die Anschaffung war deshalb absolut richtig, auch wenn wir die Technik des Wagens nie richtig verstanden haben.
Meine Damen und Herren, nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, aber ich hoffe die Analogie ist trotzdem deutlich geworden. Wirtschaftsprüfer, Rating-Agenturen, Bankenaufsicht, Vorstand, Aufsichtsrat und Anteilseigner – sie alle haben ihren spezifischen Anteil an der Schieflage der HSH Nordbank.
Und wenn in der zweijährigen Tätigkeit des HSH Untersuchungsausschusses eine gemeinsame Erkenntnis gewachsen ist, dann die, dass es nicht den einen Schurken gibt, wie der Kollege Weber zutreffend formulierte. Dass der Kollege Fürter dennoch immer wieder einseitig auf die Person von Finanzminister Wiegard abstellt, fällt deshalb in die Kategorie leicht durchschaubares Oppositionsgebaren. Durch die Arbeit des Unterersuchungsausschusses ist diese Schlussfolgerung jedenfalls nicht gedeckt. Nun mögen Sie sagen, auch die CDU agiere ähnlich durchsichtig, indem sie die ursächliche Verantwortung auf die rot-grüne Vorgängerregierung und ihre Entscheidungen des Jahres 2003 abwälzt.
Meine Damen und Herren, der entscheidende Unterschied besteht darin, dass wir uns durchaus selbstkritisch damit auseinandersetzen, was die CDU als Oppositionspartei im Jahr 2003 mit beschlossen hat. Aber um noch einmal das anfangs gezeichnete Bild aufzugreifen: CDU und SSW waren damals so etwas wie die Großeltern, die noch Geld zum Kauf des Wagens dazugegeben haben. Die eigentliche Entscheidung über den Kauf des Rennautos wurde von der rot-grünen Landesregierung getroffen. Deshalb finde ich es ausgesprochen fragwürdig, wenn SPD und Grüne in ihren eigenen Entscheidungen des Jahres 2003 keine Fehler erkennen mögen und stattdessen die Ursachen ausschließlich in den Jahren 2007 und 2008 bei anderen suchen.
Im Falle der SPD natürlich erst nach dem Ausscheiden von Ralf Stegner aus dem Aufsichtsrat im Frühjahr 2008. Versteht sich von selbst. Als Obmann meiner Fraktion habe ich mich in unserer Stellungnahme zum Abschlussbericht hingegen um ein ehrliches und ausgewogenes Fazit bemüht. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Schnellankaufverfahren. Noch im letzten Landtagswahlkampf hatten wir die Rolle von Ralf Stegner äußerst kritisch thematisiert, nachdem bekannt wurde, dass er bereits im Frühjahr 2005 über die Einführung des Schnellankaufverfahrens informiert war.
Heute wissen wir durch die Untersuchungstätigkeit des Ausschusses, dass das Schnellankaufverfahren grundsätzlich eine branchenübliche Vorgehensweise ist und dass die im Laufe der Zeit reduzierten Sicherheitsanforderungen allein vom Vorstand ohne Kenntnis des Aufsichtsrates vorgenommen wurden. Deshalb kein Vorwurf an die Vertreter der Landesregierung an dieser Stelle. Andererseits haben wir auch das Verhalten des Aufsichtsrats zur Zeit der Großen Koalition kritisch gewürdigt: Ein aktiveres Handeln des Aufsichtsrates wäre nach unserer Auffassung wünschenswert gewesen.
Die Behauptung von Herrn Dr. Stegner, dass er keine einzige Sitzung des Aufsichtsrates erinnere, in der er auf eine problematische Entwicklung der Bank hingewiesen worden sei, deckt sich nicht mit den vom Ausschuss ermittelten Tatsachen. Angesichts einer wachsenden Unsicherheit und erster negativer Auswirkungen für die Bank hätte ein mutigeres Eingreifen des Aufsichtsrates im Laufe des Jahres 2007 die Verluste zwar nicht vermeiden aber zumindest reduzieren können. Allerdings würden wir nicht so weit gehen, wie der Obmann der Grünen, der steif und fest behauptet, die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sei bereits 2007 vorhersehbar gewesen.
Wenn der Kollege Fürter diese hellseherische Fähigkeit besessen hätte, dann bräuchte er heute hier nicht mehr zu sitzen, denn dann wäre er aus der Finanzmarktkrise als mehrfacher Millionär hervorgegangen. Stattdessen standen renommierte Institute wie die amerikanische Citigroup, die schweizer UBS, die deutsche Commerzbank und britische Royal Bank of Scotland in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise kurz vor der Pleite.
Die Krise war offensichtlich auch für diese Institute nicht vorhersehbar, obwohl dort keine Politiker im Aufsichtsrat saßen. Nachträglich ist es immer leicht zu behaupten, das eine oder andere Ereignis sei ein ganz klares Warnsignal gewesen. Tatsache ist, dass sich keiner der heutigen Kritiker bereits damals entsprechend geäußert hat. Die weitere Entwicklung war im Jahr 2007 genauso unsicher und nicht vorhersehbar, wie es der Ausgang der gegenwärtigen Staatsverschuldungskrise ist. Und wer von uns könnte heute mit Sicherheit sagen, ob wir diese Krise in den nächsten Jahren meistern werden oder ob es zum einem totalen Zusammenbruch des Weltwirtschaftssystems kommt?
Meine Damen und Herren, ich erwähnte das Stichwort „Politiker im Aufsichtsrat“ und will daran noch kurz anknüpfen, denn auch dieser Aspekt gehört zu den eigenwilligen und widersprüchlichen Schlussfolgerungen in den Reihen der Opposition. Einerseits heißt es da bei den Grünen, die HSH Nordbank sei vom Aufsichtsrat und den dort sitzenden Politikern „katastrophal überwacht“ worden. Andererseits vertreten die Oppositionsfraktionen die Auffassung, es müssten unbedingt wieder Mitglieder der Landesregierung in den Aufsichtsrat entsandt werden, um dort den politischen Einfluss des Anteilseigners auszuüben.
Angesichts einer Aufsichtsrats-Vorsitzenden Heide Simonis, die trotz eines Studiums der Volkswirtschaft freimütig erklärt, sie sei mit den englischen Fachbegriffen überfordert gewesen und man „sei total besoffen gewesen vom Erfolg“, wäre ich mit solchen Forderungen zumindest aus Reihen der SPD ganz zurückhaltend. Die Tatsache, dass der neue SPD-Finanzsenator in Hamburg von dieser lautstark vertretenen Forderung sofort abrückt, als er selbst von der Opposition in die Regierung wechselt, spricht doch Bände. Die politische Absicht der Opposition, auf diese Weise wieder einmal den Rücktritt eines Ministers fordern zu können, ist ein denkbar schlechter Ratgeber für solche Entscheidungen.
Auch wenn wir das Handeln der Landesregierung bei Rettung der HSH Nordbank betrachten, müssen wir feststellen, dass auf Seiten der Opposition sehr einseitige Sichtweisen vertreten werden. So geht der SSW nach wie vor davon aus, dass anstelle des von Hamburg und Schleswig-Holstein geschnürten Rettungspakets
auch der SoFFin und damit der Bund die Risiken der HSH Nordbank übernommen hätte. Nun hat der Untersuchungsausschuss durch die Aussage des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück sehr deutlich herausgearbeitet, dass der Bund auf Basis des Finanzmarktstabilisierungsgesetztes unter keinen Umständen für vorhandene Altlasten der Landesbanken aufgekommen wäre.
Dennoch gab es ein kurzes Zeitfenster - nämlich vor Verabschiedung des Gesetzes – in dem man dieses mit dem Bund auch anders hätte vereinbaren können. Allerdings hätten sich die Länder im Gegenzug mit 35 Prozent am 500 Mrd. Euro schweren Banken-Rettungsschirm beteiligen müssen - die Übernahme der Risiken durch den Bund wäre also nicht kostenlos gewesen. Mit Datum vom 15. Oktober 2008 hat das Handelsblatt detailliert über das Gespräch der Länder- mit dem Bundesfinanzminister berichtete. Dem SSW war also im Oktober 2008 die Sachlage bekannt. Kritik an dem Gesprächsergebnis oder gar abweichende Anträge des SSW sind hingegen nicht vermerkt.
Auch hier gilt wieder: Nachträglich ist es immer leicht, Kritik zu äußern. Zu dem Zeitpunkt, als es darauf ankam, hatte aber auch der SSW keine anderen Antworten parat. Und überhaupt zeigt die aktuelle Entwicklung, dass die Entscheidung von Landesregierung und Landtag richtig gewesen ist. Deshalb muss sich vielmehr die damalige Opposition fragen lassen, ob sie ihrer Verantwortung mit der Ablehnung des Rettungspakets gerecht geworden ist. Ich denke nicht. Das Rettungspaket der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wurde zwischenzeitlich von 13 Mrd. Euro auf rund 10 Mrd. Euro reduziert.
Dieser Rückgang resultiert aus der Rückgabe von Garantien über 2 Mrd. Euro und der Zahlung von Garantieprovision von rund 1 Mrd. Euro bis Ende dieses Jahres durch die HSH Nordbank. Auf der anderen Seite haben sich die Risiken aus der Gewährträgerhaftung, die sich Ende 2008 noch auf rund 65 Mrd. Euro beliefen, bis Ende 2011 auf 38,8 Mrd. Euro reduziert. In der Summe sind somit die Risiken für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein – und damit für den Steuerzahler – zwischenzeitlich um mehr als 15 Mrd. Euro gesunken.
Bei einer fortgesetzt positiven Entwicklung der HSH Nordbank besteht weiterhin die Chance, dass am Ende sogar ein Überschuss für den Steuerzahler verbleibt. Als CDU-Fraktion treten wir seit langem für einen Verkauf der Anteile an der HSH Nordbank ein. Die Ergebnisse des HSH Untersuchungsausschusses bestätigen uns in dieser Auffassung. Wir begrüßen deshalb, dass sich mittlerweile auch die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen dieser Position angeschlossen hat. Dagegen mutet es schon sehr skurril an, dass ausgerechnet die LINKE, die an den Geschäften der HSH Nordbank kein einziges gutes Haar gelassen hat, eine Veräußerung der Anteile kategorisch ablehnt – einfach weil man gegen jede Form von Privatisierung ist.
Meine Damen und Herren, ich hoffe gleichwohl, dass alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den vergangenen Jahren ein besseres Verständnis für das Bankgeschäft insgesamt und vor allem eine größere Sensibilität für unsere wichtigste Beteiligung, die HSH Nordbank, entwickelt haben. Allein schon dadurch wäre die Arbeit des Ausschusses ein Erfolg, denn auch wenn der Untersuchungsauftrag mit dem heutigen Tage abgeschlossen ist, die Zukunft der HSH Nordbank wird uns auch weiterhin beschäftigen und ist von entscheidender Bedeutung für unser Land.
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Max Schmachtenberg
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