Einwanderung | | Nr. 035/16
zu TOP 34A: Wir haben ein modernes Einwanderungsrecht
Es gilt das gesprochene Wort
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Die Diskussion über ein Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz wird bereits seit mehreren Jahren mit unterschiedlicher Intensität geführt. Dabei sind die Vorstellungen davon, was ein solches Gesetz leisten soll, unterschiedlich. Manche wollen eine grundsätzliche Reform des Einwanderungsrechts. Andere wollen ein Gesetz, dass vorhandene Regelungen in einem Gesetz zusammen führt.
Die FDP fordert ein modernes Einwanderungsrecht. Diese Forderung bedeutet im Umkehrschluss, dass unser geltenden Recht unmodern ist. Ich kann mich dieser Wertung nicht anschließen. Und ich bin damit nicht allein.
Der OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig hat dies bereits Anfang 2015 in einem Interview mit der Zeit bestätigt. Er sagt, Deutschland habe – zumindest für Hochqualifizierte – eines der liberalsten Zuwanderungsgesetze aller OECD-Staaten. Neue Instrumente brauche man nicht, im Detail könne man aber sicher noch nachbessern.
Der Antrag der FDP enthält einige Ansätze. Mit manchen kann ich mich durchaus anfreunden, etwa der verbesserten Anerkennung von Bildungsabschlüssen oder der gezielten Sprachförderung. Bei anderen ist die FDP offensichtlich auf den bei Antragstellung rasenden Mainstream-Zug aufgesprungen. So fordert die FDP im Ergebnis ein Punktesystem für die Zuwanderung. Als Beispiel nennt sie Kanada. Auch die Kanadier haben sich allerdings von ihrem ursprünglichen Punktesystem entfernt. Inzwischen ist ein Jobangebot vor Ort das wichtigste Kriterium: Die Hälfte der maximal erreichbaren 1.200 Punkte erhält ein Bewerber, wenn er eine Stelle in Kanada vorweisen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass in Kanada manche Migranten bis zu fünf Jahre auf eine Antwort von der Einwanderungsbehörde warten müssen. Für mich ist das das Gegenteil von modern. Ich spare mir an dieser Stelle Ausführungen zu der Forderung nach einer generellen Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit. Die Meinungen hierzu sind ausgetauscht.
Auch über ein generelles Kommunalwahlrecht für Menschen, die weder die deutsche
noch eine Staatsangehörigkeit eines EU-Staates haben, haben wir hier mehrfach gesprochen. Allerdings bekommt diese Frage angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen eine neue Dimension. Klar ist, dass das Minimum zur Erfüllung dieser Forderung eine Grundgesetzänderung ist. In der rechtswissenschaftlichen Welt wird aber durchaus auch die Auffassung vertreten, dass eine solche Änderung aufgrund der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Absatz 3 des Grundgesetzes gar nicht möglich wäre.
Abgesehen davon bleibe ich dabei: Das Wahlrecht ist Ausfluss der Staatsangehörigkeit. Für EU-Bürger haben wir hier aufgrund der EU-Verträge und der Beziehungen der EU-Staaten zueinander eine Ausnahme für Kommunalwahlen. Eine weitergehende Öffnung halte ich aber nicht für sinnvoll. Wir in Deutschland brauchen kein modernes Einwanderungsrecht.
Wir haben ein modernes Einwanderungsrecht.
Ich kann mir durchaus vorstellen, aus den bestehenden Regeln ein einheitliches Gesetz zu machen. Dies wäre aber vor allem eine kosmetische Maßnahme. Wenn Sie ich fragen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für diese Diskussion ist: Da muss ich sagen: Nein!
Wir haben im Augenblick Baustellen, die unsere volle Aufmerksamkeit erfordern. Die bestehenden Instrumente, die funktionieren. Eine Steuerung der Bedarfszuwanderung ist bereits heute möglich. Daher plädiere ich dafür, diese Diskussion nicht jetzt zu führen. Wenn wir die gegenwärtigen Herausforderungen bewältigt haben, wird Zeit für eine umfassende Diskussion sein.
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Max Schmachtenberg
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