| Nr. 194/08
zu TOP 26: Die Parlamente müssen das Heft des Handelns in der Hand behalten
Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort
Von den Arbeitnehmern wird heute viel erwartet – die Begriffe Mobilität und Flexibilität sind in aller Munde.
Wir erwarten, dass Menschen vieles in Kauf nehmen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Arbeitsstätten finden sich oft nicht in unmittelbarer Nähe zum Wohnort. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen nicht selten weite Wege in Kauf nehmen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen.
Die Gesellschaft erwartet – auch angesichts der demographischen Entwicklung – von denen, die im arbeitsfähigen Alter sind, dass sie Initiative und Leistungsbereitschaft zeigen. Unser Gemeinwesen braucht diese Leistungsbereitschaft, weil der Staat nur so diejenigen Steuereinnahmen erzielen kann, die notwendig sind, um ökonomische Infrastruktur und soziale Sicherheit aufrecht zu erhalten.
Weite Wege zur Arbeit sind für eine große Zahl von Arbeitnehmern heute der Normalfall. Dies gilt nicht nur, aber vor allem auch im ländlichen Raum. Es ist Ausdruck unserer Vorstellung von Familienfreundlichkeit, dass wir es den Menschen möglich machen wollen, nicht gleich aus ihrer heimatlichen Umgebung wegziehen zu müssen, wenn sie andernorts eine Arbeit finden. Wir fordern Mobilität bezogen auf den Arbeitsplatz; zugleich müssen wir Menschen die Möglichkeit zu geben, an ihrem Wohnort Wurzeln zu schlagen.
Neben denen, die eine längere Strecke zur Arbeit fahren und die auch im Rahmen der Neuregelung der Entfernungspauschale berücksichtigt worden sind, gibt es aber in großer Zahl auch diejenigen, die weniger als zwanzig Kilometer zur Arbeit fahren. Dies sind laut einer aktuellen Statistik rund 78 % der arbeitenden Bevölkerung. Diese große Personengruppe wird durch die aktuell geltende gesetzliche Regelung zur Entfernungspauschale überhaupt nicht erfasst.
Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, wenn wir sehenden Auges in eine Diskussion hineinlaufen, in der sich diejenigen, die arbeiten und Steuern zahlen, benachteiligt fühlen, weil sich die Politik um ihre Belange nicht mehr ausreichend kümmert.
Darüber hinaus ist es ein wichtiges Signal, in Zeiten ständig steigender Energiepreise von Seiten des Gesetzgebers für die „Normalpendler“ Entlastungen zu schaffen.
Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema steht noch aus. Rechtsexperten gelangen zu unterschiedlichen Einschätzungen, wie dieses Urteil mutmaßlich ausfallen wird. Meine Auffassung ist die, dass sich das Bundesverfassungsgericht an dem alten Rechtsprinzip orientieren wird, nach dem nur das zu besteuern ist, was man nach Abzug seiner Werbungskosten tatsächlich verdient hat. Dies nennt man im Steuerrecht Nettoprinzip – ein Prinzip, mit dem sich Besteuerungsgrundsätze wie Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit am ehesten verwirklichen lassen.
Die Politik darf nicht den Eindruck erwecken, sie nehme verfassungsrechtliche Bedenken gegen Gesetze in Kauf und schiebe politische Entscheidungen in die Zuständigkeit von Gerichten. Gerichte – auch Verfassungsgerichte – sind keine Ersatzparlamente oder Ersatzgesetzgeber. Die Parlamente dürfen Entscheidungen nicht ohne Not aus der Hand geben, sondern müssen das Heft des Handels in der Hand behalten.
Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt! Wir bitten um Zustimmung.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel