| Nr. 409/08
zu TOP 20: Die Bildungsreform wird zum Erfolg führen
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Als Opposition hätte ich mir diese Gelegenheit, der damaligen Regierungskoalition eins zwischen die Hörner zu geben, auch nicht entgehen lassen, Herr Dr. Klug. Denn in der Tat, die Schüler, die 2006 getestet wurden, haben ihre Schulzeit während der damaligen Regierungszeit zwischen 1996 und 2005 absolviert. Und Sie als Grüne müssten eigentlich schamhaft schweigen, denn Sie haben in der Zeit, um die es jetzt geht, mit Regierungsverantwortung getragen.
Das Ergebnis des PISA-Ländervergleiches ist für Schleswig-Holstein nicht befriedigend. Und das brauchen wir auch nicht zu beschönigen, wie das z. B. andere Bundesländer tun. So stellte der Bremer Bildungssenat fest: „Unsere Aufholjagd hat sich gelohnt“. Dabei ist zu bemerken, dass Bremen das dritte Mal in Folge das Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer darstellt.
Aber kommen wir zu unseren Ergebnissen: Schleswig-Holstein hat sich seit Beginn der PISA-Untersuchungen im Jahr 2000 zumindest im Länderranking der Bundesländer nicht verbessert. Im Bereich Naturwissenschaften vom 6. Platz in 2000 (486 P.) auf den 8. Platz in 2003 (497 P.) auf den 10. Platz in 2006 (510 P.).
In Mathematik vom 5. Platz in 2000 (490 P.) auf den 7. Platz in 2003 (497 P.) auf den 11. Platz in 2006 (497 P.); im Lesen und Textverständnis vom 8. Platz 2000 (478) auf den 5. Platz 2003 (488 P.) auf den 12. Platz in 2006 (485 P.). Mögen auch die Punktzahlen nicht so große Unterschiede im Vergleich zu 2003 aufweisen, so stellen wir doch fest, dass wir im Länderranking zurückgefallen sind, d. h. andere Länder haben in den Jahren 2000 - 2006 offensichtlich größere Anstrengungen unternommen als Schleswig-Holstein, so z. B. Sachsen, das in dieser Zeit eine ansehnliche Leistungssteigerung im naturwissenschaftlichen Bereich um plus 42 PISA-Punkte aufweist.
Schleswig-Holstein liegt in allen getesteten Bereichen unter dem PISA-Bundesdurchschnitt und nur im Hinblick auf die Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt- ansonsten darunter. Nach Einschätzung des Bildungsministeriums handelt es sich hierbei lediglich um „Schätzfehler mit beschränkter Aussagekraft“ und ein „breites Mittelfeld auf ähnlichem Leistungsniveau“. Dieser Einschätzung können wir uns nur bedingt anschließen. Was für die Ergebnisvalidität für Gymnasien gilt, denen die KMK einen großen Leistungsvorsprung gegenüber anderen Schularten testiert (PM der KMK v. 18.11.08), muss entsprechend auch für die Validität der Ergebnisse in anderen Schularten gelten.
Um gleich zu Anfang mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen - das mittelmäßig bis schlechte Abschneiden unserer Schülerinnen und Schüler liegt nicht am Geld: Die öffentlichen Ausgaben pro Schüler betrugen in Berlin 6.100 Euro - Berlin, das jeweils nur den 11.Platz in Naturwissenschaften und den 12. Platz in Mathematik erreichte, während der PISA-Gewinner Sachsen mit 5.800 € pro Schüler auskam, Bayern mit 5.200 €. Der zum Testzeitpunkt vergleichsweise niedrige Satz in S-H von 4900 € pro Schüler hat zu besseren Ergebnissen als im Land Bremen geführt, das immerhin 5.300 € pro Schüler ausgibt, das weitere Schlusslicht Hamburg sogar 6.200 €.
Auch die Schulstruktur kann nicht allein die Ursache für das Abschneiden der einzelnen Länder sein. Sachsen mit seiner gegliederten Schulstruktur - Mittelschule (das ist unsere Regionalschule) und Gymnasium - wie bei uns in S-H vorgesehen - steht in der Rankingliste an erster Stelle - kurz vor Bayern und Baden-Württemberg mit einem dreigliedrigen Schulsystem, erst dann folgen die anderen Bundesländer. Dänemark mit Ihrer hoch geliebten Gemeinschaftsschule, Frau Spoorendonk, befindet sich zumindest im Bereich Naturwissenschaften unter dem OECD-Durchschnitt und damit hinter Deutschland, und im Bereich der Lesekompetenz ebenfalls hinter Deutschland, wenn auch knapp. Einige Äußerungen sollten uns aber zum Nachdenken bringen. So eine Stellungnahme des Staatsministers aus Sachsen auf die Frage, warum Sachsen so viel erfolgreicher als Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sei: „Weil wir seit 1990 einen stabilen Kurs fahren. Sachsen hat sofort auf das zweigliedrige Schulsystem gesetzt, während Mecklenburg-Vorpommern und andere schulpolitisch einiges ausprobiert haben. Wir hatten nach der friedlichen Revolution alle die gleichen Startbedingungen. Sachsen und Thüringen haben am meisten daraus gemacht“. Aber auch die KMK: Nach deren Ansicht herrschen an Gymnasien günstige Rahmenbedingungen für das Lernen in den Naturwissenschaften und die Unterschiede zwischen den Ländern sind an dieser Schulart bei der Lesekompetenz eher gering (PM KMK v. 18.11.08).
Und die Aussage des PISA-Konsortiums (2006, S. 14 u. 20): „Der naturwissenschaftliche Unterricht in S-H zeichnet sich durch „relativ häufiges interaktives Lehren und Lernen und globale Aktivitäten aus. Globale Aktivitäten sprechen die Schülerinnen und Schüler motivational an, erweisen sich aber als unzureichend für die Sicherung eines fachlichen Verständnisses“. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Schleswig-Holstein nur auf Platz 10 der Rankingliste steht.
Welche Lehren können wir in Schleswig-Holstein aus den neuerlich nicht sehr positiven Befunden ziehen? Denn darauf kommt es an und nicht auf ständige Mäkeleien der Opposition, die nie ein gutes Haar an der Regierung lässt und in der Regel außer den Forderungen nach mehr Geld auf der einen Seite und Festhalten am Bestehenden auf der anderen Seite keine machbaren Vorschläge aufweist.
Es war und ist richtig, an der Schulart Gymnasium festzuhalten und sie auch entsprechend auszustatten, wie wir es mit dem gestern verabschiedeten Haushalt getan haben. Das Gymnasium weist eine hohe Qualität auf und bietet die entsprechenden Rahmenbedingungen für gutes Lernen und gute Ergebnisse auch im internationalen Vergleich. Die in Schleswig-Holstein notwendigen Planstellen haben wir gestern bewilligt. Es war und ist richtig, in eine grundlegende Bildungsreform seit 2005 einzusteigen, und zwar von der Pike auf, also vom Kindergarten über die Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen, von der Sprachförderung über die Grundschulbetreuung, Ganztagsangebote, Lehrerfortbildung und Qualitätssicherung. Das war und ist ein großer, auch finanzieller Kraftakt, den die Regierungskoalition seit 2005 geleistet hat. Dass die Reformen jetzt in der Grundschule greifen, haben uns gerade die IGLU-Ergebnisse bestätigt.
Die 2006 getesteten Schülerinnen und Schüler sind im Jahr 2000 oder 2001 in die weiterführenden Schulen aufgenommen worden. Die von den Koalitionsfraktionen angestoßenen vielfältigen Reformen seit 2005 konnten noch keine positiven Effekte erzielen, erst frühestens 2012 werden wir messbare Ergebnisse bekommen können. Bis dahin dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Wie die Aussagen aus Sachsen zeigen, brauchen auch wir in Schleswig-Holstein Ruhe in der Schullandschaft, damit Eltern, Lehrkräfte und Schüler/innen sich auf die Veränderungen einstellen können und die Hilfen, die das Land anbietet, auch wahrnehmen können. Die Erwartung, dass Deutschland oder Schleswig-Holstein innerhalb von 2 oder 3 Jahren nach Einführung der Bildungsreform die Spitze der Bildungstabelle stürmt, kann nicht erfüllt werden, auch wenn Regierungspolitiker das wünschen und Oppositionspolitiker genau dieses fürchten.
Der konstruktive Dialog mit Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden muss fortgeführt werden, um mögliche Schwachstellen der Reform mit den Beteiligten zu erörtern und Lösungen zu finden. Wir sollten uns - wie vorgesehen - am Siegerland Sachsen ausrichten und Schülern und Eltern vermitteln, dass neben dem Gymnasium auch die zweite Schulart (ich halte mich jetzt an die Aussage des Ministerpräsidenten von gestern) – „egal wie sie nun heißt - entscheidend ist, was drin ist“, einen hohen Stellenwert besitzt und es jedem Kind jederzeit offen steht, in einem durchlässigen Schulsystem eine weiterführende Schule zu besuchen.
Echte Ganztagsschulen und Ganztagsangebote sind miteinander zu verknüpfen, um eine frühzeitige und umfassende Betreuung und Förderung auch der sog. bildungsfernen Schichten zu erreichen. Lassen Sie uns – ohne destruktive Kritik – aber mit konstruktiven Vorschlägen die Bildungsreform begleiten. Ich bin sicher, dass diese - nach anfänglichen Schwierigkeiten - zum Erfolg führen wird. Und unterstützen Sie unsere Lehrkräfte in ihrer nicht immer ganz einfachen Arbeit mit den Schülern und Schülerinnen und den Bildungsreformern.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel