| Nr. 363/08
zu TOP 2, 17 und 22: Die soziale Marktwirtschaft muss international etabliert werden
Es gilt das gesprochene Wort.
Freigabe Redebeginn.
Kaum ein Thema hat die Menschen und die Politik in den letzten Wochen und Monaten so beschäftigt, wie die weltweite Krise auf den internationalen Finanzmärkten.
Innerhalb weniger Tage ist das Bankensystem kräftig durchgeschüttelt worden. Traditionsreiche Geldhäuser, sie verschwinden vom Markt oder verlieren ihre Eigenständigkeit. Nichts bleibt so wie es ist. Die Börsen erleben eine Berg- und Talfahrt. Im September fielen die Aktienkurse innerhalb einer Woche weltweit im Schnitt um rund 5,2 Prozent, was einem Gesamtverlust an Börsenwert von rund 2,3 Billionen Dollar entsprach.
Die Lage auf den internationalen Finanzmärkten ist ernst. Sie stellt vieles, was für uns als selbstverständlich galt, infrage. Sie stellt unsere Wirtschaft und Haushaltspolitik vor enorme Herausforderungen.
Meine Damen und Herren, was stand am Anfang dieser Krise? Ausgangspunkt ist die unsolide Immobilienfinanzierung in den Vereinigten Staaten. Über Jahre hinweg wurden in unverantwortlicher Weise Immobilienkredite an Bankkunden vergeben, bei denen keine Aussicht auf normale Rückzahlung des Darlehens bestand.
Alle Beteiligten verließen sich auf ständig steigende Immobilienpreise und niedrige Zinsen. Die Risiken aus diesen Krediten wurden weiterverkauft, neu verpackt, weltweit gestreut und waren damit der Keim der weltweiten Finanzkrise.
Traditionsreiche Investmentbanken mit klangvollen Namen sind in den USA von einem auf den anderen Tag vom Markt verschwunden. Aus der amerikanischen Immobilienkreditkrise ist inzwischen eine globale Finanzmarktkrise geworden. Das Vertrauen – das wichtigste Pfund der Finanzmärkte – ist verloren gegangen. Das Kreditgeschäft der Banken untereinander kam praktisch zum Erliegen. Es drohte ein Zusammenbruch des gesamten internationalen Finanzsystems mit unvorhersehbaren Folgen.
Die zentralen Begriffe in dieser Debatte sind daher ganz klar „Vertrauen“ und „Verantwortung“. Das sind die Anforderungen, die die Menschen in unserem Land nicht nur an die Politiker, sondern vor allem auch an Manager und Bänker richten.
Deshalb müssen wir ihnen folgende Fragen beantworten: Wie können wir die Krisenbewältigung den Bürgern gegenüber rechtfertigen? Und was sind die Lehren, die wir, die Politik, aus der Krise ziehen?
Zur Krisenbewältigung. Ich glaube, dass dies das Gebot der Stunde ist. Es geht dabei nicht um Schuldsuche, sondern darum, Risiken und Gefahren abzuwenden. Es geht nicht um einzelne Banken und Institute. Auch private Interessen stehen nicht im Mittelpunkt, sondern allein die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzmarktes insgesamt.
Die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Steinbrück haben mit der Verabschiedung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes eine exzellente Arbeit geleistet. Auch die Länder haben dabei besonnen und verantwortungsvoll an einem Strang gezogen und sind ihrer Verantwortung gerecht geworden.
Dieses geschlossene Handeln der Politik über Parteigrenzen hinweg ist ein Beispiel dafür, dass Politik – wenn es darauf ankommt – handlungsfähig ist und ihrer Verantwortung gerecht wird. Denn häufig werden Politiker beschimpft und müssen sich vorhalten lassen, nicht schnell genug zu reagieren. Das äußerst effektive und schnelle Handeln der Politik bei der Finanzkrise hat unserem Land gut getan.
Ich wünsche mir mehr solche Beispiele, bei denen wir in der Sache hart, aber ohne Streit um des Kaisers Bart etwas für unser Land bewegen.
Der Finanzmarktstabilisierungsfonds ist in der Sache bereits ausführlich dargestellt worden. Es geht darum, durch die Gewährung von einer Sicherheit, einer Bürgschaft, wieder Vertrauen in das Finanzsystem herzustellen. Vertrauen der Banken untereinander. Und Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in unser Bankensystem.
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise für Schleswig-Holstein? Auch hierzu haben wir in der Regierungserklärung schon etwas gehört.
Kein Experte kann die Folgen der Krise auf den Kapitalmärkten abschließend einschätzen und vermag deren Auswirkungen zu erkennen. Auch bei uns nicht.
Tatsache ist, dass sich die schleswig-holsteinische Wirtschaft noch in stabiler Verfassung befindet. Robuster und stärker als in anderen Ländern. Unsere Unternehmen erwarten einen um 9,1 Prozent höheren Umsatz als im Vorjahr. Die Arbeitslosenzahlen sind im Oktober im Vorjahresvergleich um 8.100 (ein Minus von 7,5 Prozent) zurückgegangen.
Aber auch wir werden uns den Folgen der Krise nicht entziehen können. Nach Meinung vieler Experten werden die durch die Finanzkrise ausgelösten Schockwellen die reale Wirtschaft erst im Laufe des Winterhalbjahres erreichen.
Und diese Auswirkungen werden wir das ganze nächste Jahr wohl noch spüren und verdauen müssen. Besorgniserregend ist, dass den Firmen gegenwärtig mit nicht gekannter Geschwindigkeit die Aufträge wegbrechen. Mit deutschlandweit minus acht Prozent war der Rückgang im September so stark wie nie in der gesamtdeutschen Geschichte.
Hinzu kommt, dass der Zugang zu Krediten immer schwerer wird: Ein Drittel der Banken berichtete in der jüngsten Umfrage der Bundesbank über härtere Auflagen für Unternehmen.
Dennoch gilt es in dieser prekären Situation, nicht in Panik und gedanklich schon vorher in eine Rezession zu verfallen.
Vielleicht kommen wir mit einem blauen Auge davon und bleiben von der befürchteten schlimmen Rezession und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die mittelständische Wirtschaft verschont.
Der Monatsbericht Oktober der Arbeitsagentur für Schleswig-Holstein lässt auch etwas Zuversicht erkennen, wenn er davon spricht, dass die Unternehmen die letzten Jahre genutzt haben, um sich „wetterfest“ zu machen und ihre Strukturen und Prozesse optimiert haben. Auch der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels rechnet für 2009 immer noch mit einer Stagnation, nicht mit einer Rezession.
Das kann uns selbstverständlich nicht zufrieden stellen, dennoch dürfen wir die Vertrauenskrise nicht noch weiter verschärfen.
Ich möchte noch einige Sätze zur Situation der angeschlagenen HSH-Nordbank machen.
Der Rücktritt von Herrn Berger ist nach den unserer Fraktion vorliegenden Informationen gerechtfertigt.
Ich hoffe, dass die Bank mit einem neuen Vorstandsvorsitzenden die Chance für einen Neuanfang nutzt. Wir sind aber nach wie vor auf eine genaue Krisenanalyse, angewiesen, damit wir wissen, wie die Lage der Bank wirklich ist. Alle Karten müssen nun auf den Tisch. Mit dem Prüfauftrag an die KPMG, die auch vergangene Kapitalmarktgeschäfte untersuchen soll, ist dieser Aufklärungsprozess eingeleitet worden.
Ich habe Verständnis dafür, dass die Opposition ihrer Rolle gerecht werden möchte und nachdrücklich eine schnelle Aufklärung fordert.
Genauso wollen wir als Regierungsfraktion schnellstmöglich Klarheit haben. Jedoch können wir, wie das bei jeder Krise ist, immer erst dann eine Bewertung vornehmen, wenn wir nach einer genauen Analyse die Fakten kennen.
Die CDU-Landtagsfraktion hat volles Vertrauen zu unseren Mitgliedern des Aufsichtsrates der HSH Nordbank, Lothar Hay und Rainer Wiegard. Sie verdienen unsere volle Unterstützung bei der Krisenbewältigung.
Was die Aufstockung des Eigenkapitals der HSH Nordbank betrifft, ist offen, in welcher genauen Höhe und auf welche Art und Weise eine derartige Erhöhung des Eigenkapitals sinnvoll ist.
Folgende Möglichkeiten stehen gegenwärtig zur Diskussion:
- Die Anteilseigner schultern die Kapitalerhöhung selbst.
- Es erfolgt eine Kapitalaufstockung über den Finanzmarktstabilisierungsfonds.
- Die letzte Möglichkeit, dass sich ein weiterer Eigentümer in die HSH Nordbank einkauft, ist nicht in Sicht.
Jede Möglichkeit hat einen Haken und ist nicht zum Nulltarif zu haben. Ich appelliere jedoch, vor dem Hintergrund der angespannten Finanzlage des Landes den Bundesschirm bei Bedarf in Anspruch zu nehmen. Dies haben die BayernLB, die Commerzbank und die WestLB ebenfalls getan.
Klar ist schon jetzt, dass 68 Millionen Euro im Jahr 2009 und 76 Millionen im Jahr 2010 aufgrund fehlender Dividendenauszahlung nicht in die Landeskasse fließen werden. Dies stellt uns vor gewaltige Herausforderungen bei den Haushaltsberatungen.
Für die CDU-Landtagsfraktion möchte ich sagen: Wir wollen trotz der Finanzkrise und den Problemen bei der HSH Nordbank an dem gemeinsamen Ziel der Koalition, einen verfassungsgemäßen Haushalt zu beschließen, festhalten. Dieses Ziel wird angesichts der drohenden Haushaltsrisiken eine Herkules-Aufgabe werden und dem Finanzminister weiter viel Verhandlungsgeschick abverlangen.
Jedoch gibt es vor dem Hintergrund der drückenden Altlasten und der Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder keine Alternative zur Fortsetzung des Konsolidierungskurses.
Ich möchte, so gut wir das jetzt auch schon können, drei Bemerkungen zu den Lehren machen, die wir aus dieser weltweiten Finanzkrise ziehen müssen. Schnellschüsse sind hier fehl am Platz.
Erstens: Die Krise zeigt an allererster Stelle, dass kein Regelwerk, schon gar nicht die Wirtschaft bestehen kann, wenn die wirtschaftlichen Akteure glauben, frei von moralischer Bindung, frei von unternehmerischer Ethik, ohne gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl agieren zu können. Nach christlich-sozialer Vorstellung ist Wirtschaft keine moralfreie Zone.
Zweitens: Diese Krise sagt uns auch etwas über die Systemfrage. Der Sozialismus ist passé, das haben wir in Deutschland und in anderen Ländern deutlich erfahren. Die Krise zeigt aber auch: Liberale Marktgläubigkeit ist ebenfalls passé.
Soziale Marktwirtschaft ist aktueller als je zuvor. Sie hat unter ihrem Vater Ludwig Erhardt für Wohlstand, Arbeit, Sicherheit und Freiheit gesorgt. Das war vor 60 Jahren. Das sollten wir nicht vergessen!
Die Lehre aus dieser Krise ist nicht, den Staatskapitalismus wieder zu beleben und den Markt als wesentliches Element der Sozialen Marktwirtschaft abzuschaffen. Das ist eine geradezu dumme These, die außer in ihren Ideologiebüchern nirgendwo mehr vertreten wird.
Wir sind für den Markt als Werteordnung. Wir sind für die soziale Marktwirtschaft, weil sie dem Freiheitsrecht und der Verantwortungspflicht des Einzelnen als Werteordnung am besten gerecht wird.
Drittens: Soziale Marktwirtschaft heißt auch Ordnung der Märkte, damit diese den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Soziale Marktwirtschaft heißt auch grundsätzlich Maß halten: Überproportionale Gehaltssteigerungen, wenn gleichzeitig Tausende von Mitarbeitern entlassen werden oder sich mit kleinsten Lohnzuwächsen begnügen müssen, darf es nicht geben.
Die politische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist, dass wir die erfolgreiche Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft auch international etablieren müssen. Dabei geht es darum, einer besseren europäischen und internationalen Dimension der Sozialen Marktwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen.
Was können wir tun, um die Konjunktur bei uns in Schleswig-Holstein gezielt und effektiv zu unterstützen? Ein Ansatzpunkt ist dabei, ohnehin notwendige und teilweise längst überfällige Maßnahmen vorzuziehen. Erfreulich ist, dass die Landesregierung beschlossen hat, 42 Millionen Euro für Schulbaumaßnahmen und 14 Millionen Euro für den Straßenbau in den beiden kommenden Jahren zu investieren. Dies sind effektive Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur.
In diesem Zusammenhang begrüße ich enbenso, dass die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket beschlossen hat, das Impulse für öffentliche und private Investitionen in den beiden kommenden Jahren setzt, um Bürger und Unternehmer zu entlasten.
Der Ausbau der A 20 und der Hinterlandanbindung für die Fehmarnbeltquerung sind zentrale Verkehrsprojekte, bei denen Schleswig-Holstein von diesem Konjunkturpaket der Bundesregierung profitieren kann.
Ich halte aber ebenso wie Minister Steinbrück nichts von einem breiten Konjunkturprogramm, wie es SPD und Linke fordern. Das verpufft ohne Wirkung und bringt uns neue Schulden für nachfolgende Generationen. Und am Ende stehen dann Steuererhöhungen, die der Kollege Stegner bereits in Aussicht gestellt hat. Das wäre Gift für unsere gegenwärtige wirtschaftliche Lage!
Stattdessen müssen wir die Rahmenbedingungen für die Menschen mit einer grundlegenden Steuerreform, einer Senkung der Lohnnebenkosten und einer guten Kinderbetreuung verbessern. Wir brauchen eine Entlastung der Bürger durch Steuererleichterungen bei gleichzeitiger Fortsetzung des Konsolidierungskurses.
Wir brauchen ebenfalls eine Verbesserung der unternehmensinternen Aufsicht. Beim Thema Aufsichtsräte bzw. unternehmensinterner Kontrolle gibt es Handlungsbedarf.
Aus diesem Grund begrüße ich es, dass die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in der kommenden Woche auf einem Weltfinanzgipfel über eine neue Welt- und Finanzstruktur beraten. Die Welt hat jetzt die Chance, das System und den gerechten Ausgleich, von dem unser Land und unsere Menschen profitiert haben, weltweit durchzusetzen.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel