Hartmut Hamerich (ehemaliger Abgeordneter)

Hartmut Hamerich (ehemaliger Abgeordneter)
Europa, Maritime Wirtschaft, Wald und Forst

| Nr. 346/08

zu TOP 16: Unser Land hat einen guten Namen im Ostseeraum

Freigabe Redebeginn.
Es gilt das gesprochene Wort!

Wenn Schleswig-Holstein gern mit seinen weiten Horizonten wirbt, gibt es dafür gute Gründe: Der Blick auf größere Zusammenhänge ist angesichts der internationalen und globalen Verflechtungen von Wirtschaft und Politik unerlässlich. Begegnung, Zusammenarbeit und internationale Netzwerke sind unabdingbare Voraussetzungen für wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Die jährliche Konferenz der Parlamente der Ostseeanrainerstaaten ist aus meiner Sicht ein ebenso gelungenes wie notwendiges Beispiel für die Vernetzung und den Informationsaustausch von Abgeordneten aus der Ostseeregion. Ihr besonderer Wert liegt vor allem darin, dass Landtage und regionale Parlamente in Augenhöhe mit den nationalen Parlamenten des Ostseeraumes und ihren Regierungen Politik gestalten.

Schleswig-Holstein, der Schleswig-Holsteinische Landtag, ebenso wie die Landesregierung gehören zu den Pionieren der Zusammenarbeit im Ostseeraum, und sie sind aus der Entstehungsgeschichte von Ostseeparlamentarierkonferenz und Ostseerat nicht fortzudenken. Von diesen Grundlagen, von diesem Kapital zehren wir noch heute: unser Land hat einen guten Namen im Ostseeraum; Wirtschaft und Politik ebenso wie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind präsent, und sie sind geschätzte Partner.

Damit sind meine Eindrücke von der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz in Visby auf der Ostseeinsel Gotland umrissen. Die Konferenz hat von Jahr zu Jahr an Profil gewonnen. Dazu dürften vor allem die vom Ständigen Ausschuss eingesetzten Arbeitsgruppen beigetragen haben. In sie haben sowohl Abgeordnete aller Ostseeparlamente als auch Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft ihr Wissen und ihre Erkenntnisse zu aktuellen Themenschwerpunkten eingebracht. Diese standen auch im Mittelpunkt der Erörterungen der 17. Ostseeparlamentarierkonferenz: Klimawandel und Energieeffizienz, Energieversorgung und Versorgungssicherheit, Eutrophierung, maritime Politik sowie Arbeitsmarktfragen und soziale Angelegenheiten. Der fraktionsübergreifende Antrag Drucksache 16/2256 nennt die wichtigsten Aussagen und Ergebnisse aus der umfangreichen Konferenzresolution.

Die Resolution mag Außenstehenden vielleicht an einigen Punkten recht generell und zu wenig verbindlich erscheinen. Möglicherweise stellt die eine oder der andere auch die Frage nach ihrer Wirkungsmöglichkeit und Durchsetzungskraft.

Solche Einschätzungen und kritischen Stimmen begleiten die Ostseeparlamentarierkonferenz – wie im Übrigen alle anderen internationalen Gremien – von Anfang an. Wer aber Gelegenheit hat, ein wenig tiefer in die Strukturen und Verfahrensprozesse dieser internationalen Konferenz einzudringen, wird nicht umhin können, das Ergebnis zu würdigen:

• Es ist schon etwas Besonderes und es hat politisches Gewicht, wenn mehr als zwanzig Parlamente und Parlamentarische Versammlungen einen gemeinsamen Willen äußern,

• es ist schon etwas Besonderes, wenn Abgeordnete aus Parlamenten der EU-Staaten und Nichtmitgliedern, Abgeordnete von nationalen Parlamenten und Regionalparlamenten, Vertreter des Europarates und des Europäischen Parlaments absolut gleichberechtigt zusammenwirken,

• es ist schon etwas Besonderes, wenn die Regierungen des Ostseeraumes dieser Versammlung in der Person des Vertreters des Ostseerates Rede und Antwort stehen und diese Zusammenarbeit vertiefen wollen.

Ich hatte erstmals Gelegenheit, den Schleswig-Holsteinischen Landtag in dem Redaktionskomitee zu vertreten, das mit der Ausarbeitung der Schlussresolution beauftragt war. Ich möchte es nicht versäumen, mich in diesem Zusammenhang für die hervorragende Zusammenarbeit mit unserem Landtagsdirektor, Herrn Dr. Schöning zu bedanken. Es wird niemanden und schon gar keinen Parlamentarier verwundern, dass Konsens und Konflikt auch hier oftmals eng zusammenliegen. Erwartungsgemäß gab es eine breite Übereinstimmung in allen Fragen des Meeres- und des Umweltschutzes und den ehrgeizigen Plan, die Ostseeregion zur maritimen Modellregion Europas zu entwickeln.

Die in der Resolution erwähnte schrittweise Entwicklung einer landgestützten Stromversorgung für Fracht- und Passagierschiffe während der Hafenliegezeit trägt erkennbar eine norddeutsche Handschrift. Sie zeigt auch die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit, die inhaltlichen Schwerpunkte des Parlamentsforums Südliche Ostsee mit denen der Ostseeparlamentarierkonferenz zu verbinden. Das ist in Visby in hervorragender Weise inhaltlich gelungen. Darüber hinaus war es eine Premiere, dass der amtierende Vorsitzende des Parlamentsforums Südliche Ostsee und Präsident des Sejmiks der Wojewodschaft Westpommern die Arbeit des Forums erläutern und seine Ergebnisse vorstellen konnte. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Schleswig-Holsteinischen Landtag und dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern in dem Parlamentsforum Südliche Ostsee ist mit Sicherheit ein wichtiges und tragendes Element dieser erfolgreichen parlamentarischen Kooperation.

Es ist kein Zufall, dass diese von enger Nachbarschaft und gleichen Interessen geprägte Zusammenarbeit im südlichen Ostseeraum durch Konsens und Harmonie geprägt ist. Aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen – und die Erfahrungen von Visby hindern uns auch daran – dass geopolitische Konflikte, an denen Ostseeanrainerstaaten beteiligt sind, die Ostseeregion insgesamt nicht unberührt lassen: Der russische Militäreinsatz in Georgien hatte spürbar zu einer atmosphärischen Anspannung zwischen der russischen Delegation einerseits und den Parlamentsdelegationen aus dem Baltikum und Polen andererseits geführt. Mochten die Kollegen aus der Staatsduma und den ostseenahen Regionalparlamenten der russischen Föderation noch so zurückhaltend sein – es war nahe liegend und mit Händen zu greifen, dass die Vertreter der baltischen Parlamente und des Nachbarlandes Polen vor allem von der Frage berührt waren, was der von russischer Seite in Anspruch genommene Interventionsanspruch im Kaukasus unter bestimmten Konstellationen für ihre Länder bedeuten könnte.

Diese Anspannung prägte die Diskussion über die Ostseepipeline, die vom russischen Vyborg über finnische/schwedische/dänische Gewässer und durch deren jeweils ausschließliche Wirtschaftszone zur deutschen Ostseeküste im Raum Greifswald als Anlandepunkt verlaufen soll. Für die einen eine willkommene Diversifizierung der Transportwege für russisches Erdgas und somit ein Beitrag zur Sicherung der Gasversorgung Europas, für die anderen Faustpfand und Stellschraube für Abhängigkeiten von einem unkalkulierbaren Regime mit zunehmend aggressivem Weltmachtgehabe. Innerhalb dieser Spannbreite bewegten sich die Diskussionsbeiträge in einer teilweise hochemotionalen Aussprache.

Die dem Konsensprinzip verpflichtete Verabschiedung der Schlussresolution stand mehrfach auf des Messers Schneide. Das Ihnen vorliegende Ergebnis zeigt aber, dass wir nicht auf Grund gelaufen sind und uns nicht festgefahren haben.

Die 17. Ostseeparlamentarierkonferenz hat damit nicht nur ihre Entscheidungs- und Artikulationsfähigkeit auch unter schwierigen Bedingungen bewiesen. Sie hat auch ein weiteres Mal zur Horizonterweiterung beigetragen. Ich wünsche mir, dass die Ergebnisse auch in unserem Landtag intensiv beraten werden und die Landesregierung - wie beantragt - an ihrer Umsetzung mitwirkt.

Für mich persönlich hat die Teilnahme an dieser Konferenz eine Schärfung des Blicks in den Ostseeraum hinein mit sich gebracht. Und ebenso die Motivation, sich im Europaausschuss noch intensiver mit diesem wichtigen Themenfeld zu befassen.

Nach dem Song von Udo Lindenberg geht es bekanntlich hinter dem Horizont weiter. Die Ostseeparlamentarierkonferenz ist hervorragend geeignet, neue Horizonte für uns alle zu öffnen!

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Max Schmachtenberg
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