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zu TOP 12: Wählen ist keine Staatsbürgerkunde
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebginn
Normalerweise könnte ich nun besinnlich eine Adventskerze anzünden und wir alle das Lied „Alle Jahre wieder…“ anstimmen. Ersteres werde ich aus Gründen des Brandschutzes nicht tun und zum Zweiten bin ich mir nicht sicher, ob mein Gesang hier alle im Hause erfreuen würde.
Die letzte Diskussion zum Thema „Reduzierung des Wahlalters auf 16 Jahre“ fand in diesem Hause am 06. Mai 2009 statt. Ich könnte es mir einfach machen und die damalige Rede des Kollegen Peter Lehnert erneut zum Besten geben - denn wesentlich neue Erkenntnisse hat es im vergangenen Jahr nicht gegeben. Sie können beruhigt sein – auch wenn die Argumente aus dem letzten Jahr noch genauso gelten – ich werde sie nicht wiederholen. Stattdessen versuchen sich SPD und Grüne wieder einmal in Effekthascherei und wollen krampfhaft auf jugendlich machen.
Den Wettbewerb „wer bietet das niedrigste Wahlalter?“ werden wir nicht mitmachen. Die Tatsache, dass in anderen Bundesländern und bei Verbänden sogar über ein Wahlalter von 14 Jahren diskutiert wird, beeindruckt ebenso wenig. Wer meint, dass Jugendliche politische Zusammenhänge am Besten mit dem Gebrauch des Wahlrechts erlernen, der irrt. Der Wahlakt ist kein Staatsbürgerkundeunterricht: Man gibt einem Kleinkind auch keine Streichhölzer, damit es unbeobachtet den verantwortungsvollen Umgang mit dem Feuer lernen kann. Es ist zwar legitim, Jugendliche für Politik begeistern zu wollen – das hat aber nicht über Experimente im Wahlrecht, sondern über eine gute politische Bildung zu geschehen, für die wir uns alle einsetzen sollten.
Kernpunkt ist doch die Frage nach der sogenannten Wahlreife. Wir haben diese in unserem Wahlgesetz sinnvollerweise mit der Volljährigkeit verbunden. Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, ob ein Jugendlicher mit 16 Jahren schon die nötige Reife besitzt, um die Zusammenhänge der Parteien und der Landespolitik zu durchschauen. Wenn als Argument kommt, dass die heutigen 16-jährigen schon wesentlich reifer sind, als die gleiche Altersgruppe etwa vor 10 oder 20 Jahren, kann man dem auch die Tatsache entgegenhalten, dass sich z.B. viele Ausbildungsbetriebe über die mangelnde Ausbildungsreife heutiger Jugendlicher beklagen. Dieses kann man nicht ignorieren.
Ich möchte mich auch gegen das Bild zur Wehr setzen, es sei undemokratisch, 16-jährige von der Wahl auszuschließen. 14-, 12-, 10-, oder 8-jährige von der Wahl auszuschließen ist auch nicht undemokratisch. Wir müssen doch unterscheiden: Es ist Eines, wenn wir als Abgeordnete das ganze Volk zu repräsentieren haben – vom Säugling über alle Kinder, alle Jugendlichen bis hin zu den Alten, und zwar auch alle, die gar nicht mehr wählen können. Das ist das Eine. Und es ist etwas völlig Anderes, ab wann man aufgrund der nötigen Reife das Recht erhalten kann, für sich selbst und die Gemeinschaft den guten vom schlechten Repräsentanten zu unterscheiden – oder den Populisten vom Fachmann. Eine Senkung des Wahlalters würde auch Auswirkungen auf den Wahlkampf haben. Und auf der Tagesordnung dieser Landtagssitzung stehen der Staatsvertrag zu Dataport, die Justizvollzugsanstalt Glasmoor, die Reform der Katasterverwaltung oder die Sicherungsverwahrung. Wie soll sich ein 16-jähriger damit auseinander setzen?
Auf die juristischen Gegebenheiten wie z.B. die beschränkte Geschäftsfähigkeit unter 18-jähriger oder die besondere Behandlung Heranwachsender im Jugendstrafrecht möchte ich jetzt hier gar nicht weiter eingehen.
Außerdem – wozu dieser Antrag jetzt? Es bringt doch nichts, wenn wir die Gesamtdiskussion haben und Sie sich vorab einzelne Punkte herauspicken. Bringen Sie doch Ihre Anregungen gerne in den Innen- und Rechtsausschuss mit ein. Ihnen sollte hoffentlich nicht entgangen sein, dass dort die Änderung des Wahlgesetzes auf der Tagesordnung steht. Aber offensichtlich ist Ihnen eine Schlagzeile wichtiger als die vermeintlich dröge Diskussion im Fachausschuss. Alle Punkte zum Thema Landeswahlgesetz können gerne im Ausschuss eingebracht und diskutiert werden.
Dazu hätte es dieses Antrages nicht bedurft!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel