PISA-Ergebnisse | | Nr. 415/23
TOP 1: Die PISA-Ergebnisse erfordern konkretes Handeln, Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg.
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Deutschland, einst Land der Dichter und Denker. Berühmt für seinen Erfinder- und Forschergeist. Made in Germany, das war doch was! Geschätzt für Tugenden wie Fleiß und Gründlichkeit.
Und heute?
Nie zuvor haben deutsche Schülerinnen und Schüler in der internationalen Leistungsstudie PISA so schlecht abgeschnitten. In Lesen und Mathematik sind es die niedrigsten Werte, die je gemessen wurden. Die 15-Jährigen befinden sich auf dem Mathe-Niveau von 14-Jährigen. Außerdem: Sie sind demotiviert und sitzen gelangweilt ihre Zeit ab.
Die Konsequenz:
Die Nation ist entsetzt, das Selbstbild erschüttert. Kein Wunder, denn PISA ist eine schallende Ohrfeige für das deutsche Bildungssystem. Ich sehe die Gefahr eines Kipppunkts heraufziehen. Denn die heute unzureichend gebildeten Jugendlichen werden ihren Kindern noch weniger mitgeben können. Und die wiederum ihren Kindern. Eine Überraschung? Nein, die schlechten Ergebnisse waren abzusehen!
Die Gründe sind schon oft benannt:
- Die monatelangen Corona-Schulschließungen – sie waren eindeutig ein Fehler.
- Dazu kommt der rapide Wandel der Schülerschaft in den letzten zehn Jahren. Er zeigt sich zum einen mit immer mehr Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern. Die Zahl der Haushalte, in den es weniger als 25 Bücher gibt, hat sich verdoppelt.
Er zeigt sich zum anderen in immer mehr Kindern, bei denen Zuhause kein Deutsch gesprochen wird. 2013 lag der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund bei 13 Prozent, 2022 bei 26 Prozent. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit, das Mindestniveau in Mathe nicht zu erreichen, doppelt so hoch wie bei anderen. Doch machen wir uns nichts vor: Der Leistungsrückgang hat bereits vor 2015 eingesetzt. Corona und Migration sind nicht Ursache, sondern Verstärker vorhandener Entwicklungen. Ein Beispiel ist der ungesunde gesellschaftliche Wandel mit der Abkehr von anstrengenden Tugenden wie Leistungsbereitschaft und Fleiß. Weitere Beispiele sind die soziale Ungleichheit und überbordender Medienkonsum. Damit nicht genug: Deutschlandweit spitzt sich der Lehrermangel zu, Vertretungsstunden und Schulausfall hinterlassen ihre Spuren.
Im Ausland sieht es auch nicht optimal aus. Denn seit dem Start von PISA sind Lernleistungen weltweit zurückgegangen. Wir haben es also mit einer globalen Bildungskrise zu tun. Also: Wir müssen handeln - nur wie? Das Ziel ist klar: Wir wollen den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg durchbrechen und zwar durch frühes Eingreifen, durch besseren Unterricht und durch mehr Lehrerbildung. Außerdem gilt es, die datengestützte Schulentwicklung auszubauen. Nur so können wir nachvollziehen, wo Stärken und Schwächen liegen und was wirklich verbessert werden muss.
Konkret:
- Mehr Zeit und Ressourcen für die Basiskompetenzen „Lesen, Schreiben, Rechnen“. Wenn das Fundament nicht stimmt, wenn Schülerinnen und Schüler nicht vernünftig lesen, schreiben oder rechnen, dann ist die gesamte schulische, die gesamte Lebens-Biografie beeinträchtigt. Und wir haben bereits etwas getan: Mit unserem Handlungsplan Basale Kompetenzen für die Grund- sowie die weiterführende Schule steuern wir gegen: mehr Deutsch und Mathe in Klassenstufen 1 und 2, Lernstandserhebung in Klasse 5, Lernstandsdiagnosen in 5 und 6 – natürlich mit anschließender passgenauer Förderung, Qualitäts- und Fortbildungsoffensive Deutsch, Weiterentwicklung des DAZ-Unterrichtes sowie mehr Initiativen zur Förderung des Lesens. Hinzu kommt eine Qualitätssteigerung für den Matheunterricht durch QuaMath, damit dieser verstehensorientiert und motivierend Schülerinnen und Schüler in seinen Bann zieht. Und ja – es braucht mehr Offensiven wie QuaMath für die anderen Fächer!
- „Wiederholung ist der Schlüssel zum Lernen“, sagte Kollege Harms im letzten Plenum. Lerninhalte müssen nicht nur verstanden, sondern durch intensives Wiederholen auch verinnerlicht werden. Das ist vielleicht nicht immer spannend, wirkt aber wahre Wunder! Geübt werden muss sowohl zuhause, in Form von Hausaufgaben, aber auch in der Schule: Der Unterricht muss also so aussehen, dass neben den didaktischen Feuerwerken auch genügend Raum für Üben, Üben, Üben ist.
- Zwar gibt Deutschland vergleichsweise viel Geld für Bildung aus – doch leider nicht immer zielgerichtet. Es muss also klug gesteuert werden. Wir in Schleswig-Holstein helfen fokussiert dort, wo unsere Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Ein Gießkannenprinzip ist weder finanzierbar noch wünschenswert. Also stärken wir 62 Perspektivschulen mit zusätzlichen Lehrkräften, mehr Sozialarbeit und mehr Geld für Projekte oder Fortbildungen. Dieses Programm wollen und werden wir dank des Startchancenprogramms des Bundes weiter ausbauen, sobald die Bund-Länder-Vereinbarung steht. Außerdem haben wir das Programm „Aufholen nach Corona“ mit Landesmitteln fortgesetzt, als der Bund es beendet hat.
- Der Schlüssel für erfolgreiches Lernen liegt im frühkindlichen Alter – die Schere geht innerhalb der ersten 6 Lebensjahre auf. Unser Credo ist deshalb: Kinder müssen bei Schuleintritt die deutsche Sprache vernünftig beherrschen. Dazu wird im kommenden Schuljahr eine Viereinhalbjährigen-Untersuchung im Umfeld der Perspektivschulen eingeführt. Dieses Screening muss mit einer verbindlichen Förderung einhergehen, denn nur so können Erfolge erzielt werden. Wünschenswert wäre ein langfristiges Ausweiten dieser Sprachstandsdiagnostik auf das ganze Bundesland – das hat unsere Bildungsministerin Karin Prien mehrfach betont. Aber jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, also lassen Sie uns diesen mit den Perspektivkitas tun.
- Und nun eine in manchen Kreisen verpönte Konsequenz: Schluss mit weichgespülter Didaktik. Die Standards sinken – die Zahl der Einser-Abiturienten steigt stetig. Die Folge: Alle sind mehr oder weniger gleich schlecht. Diese missverstandene Gleichheit muss enden, wir müssen dafür sorgen, dass alle Schulabgänger die deutsche Rechtschreibung und mehr als nur die Grundrechenarten beherrschen. Das Prinzip Leistung muss wieder Einzug in unsere Schulen halten. Schließlich belegt PISA auch, dass es uns in Deutschland zu wenig gelingt, die Spitzengruppe zu unterstützen. Für die Schule bedeutet das: Nicht nur Schwächere fördern, sondern auch Stärkere fordern!
- Und wir müssen uns nüchtern der Erkenntnis stellen: Wir können als Politik noch so viele Lehrerinnen und Lehrer einstellen, wir können unser vorbildliches PerspektivSchul-Programm mit noch so vielen Mitteln ausstatten – all das wird unzureichendes Flickwerk bleiben, wenn die Mentalität, wenn das Mindset der Schülerinnen und Schüler nicht stimmt. Wir müssen deshalb auch die Eltern in die Pflicht nehmen. Sie müssen ebenso mitwirken und das schulische Lernen unterstützen. Das System Schule kann nicht alle Defizite aus den Elternhäusern auffangen – nur gemeinsam können Erziehung und Bildung eines jungen Menschen gelingen.
In Schleswig-Holstein sind wir bereits auf einem guten Weg – dank eines weitsichtig geführten Bildungsministeriums und einer Ministerin, die unermüdlich und gründlich arbeitet. Wir haben hier bei uns echte Bildungsexpertise, die nicht verwaltet, sondern gestaltet, die weniger vermisst und mehr versteht, die weniger verhindert und mehr ermöglicht.
Was wir aber brauchen ist Geduld, denn Lehrkräfte müssen gewonnen und fortgebildet werden, Handlungspläne Wirkung entfalten können. In einer Hinsicht können wir uns an den in PISA so erfolgreichen Asiaten mit Sicherheit orientieren. Denn Konfuzius sagt: „Lernen ist wie das Rudern gegen den Strom, wer aufhört, fällt zurück.“
Wir aber lernen konsequent, entwickeln unser Bildungssystem konsequent weiter, also: Legen wir uns in die Riemen!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel