Kommunalverfassung | | Nr. 160/23
TOP 47A: Keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Landtag hat in seiner Märztagung in zweiter Lesung das Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften beschlossen. Zu diesem Gesetzentwurf haben die Fraktionen von FDP und SSW eine Normenkontrolle beim Landesverfassungsgericht beantragt. Mit der Normenkontrolle verbunden ist ein Antrag auf einstweilige Anordnung, die sich allerdings ausschließlich auf die Mindestfraktionsgröße bezieht – das ist der erste Punkt, den ich gerne deutlich machen möchte.
In der Sache selbst sind wir als Fraktion, die den Gesetzentwurf in den Landtag mit eingebracht hat, selbstverständlich von dessen Verfassungsgemäßheit überzeugt.
Nicht zuletzt deshalb, weil sich identische oder vergleichbare Regelungen auch in den Kommunalverfassungen bzw. Gemeinde- und Kreisordnungen anderer Bundesländer wiederfinden, ohne dass es dort verfassungsrechtlich beanstandet würde.
Schon allein deshalb sehen wir keinen Grund für einen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung. Ich will aber gerne kurz auf die wesentlichen Argumente der Antragsteller eingehen.
Erstens verweisen die Antragsteller auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 13.07.2004 mit der das Gericht in einer nahezu identischen Angelegenheit die Mindestfraktionsgröße einstweilig außer Vollzug gesetzt habe.
Ich gehe mal davon aus, dass der vorgetragene Sachverhalt korrekt dargestellt ist, gleichwohl wendet sich dieses Argument gegen die Antragsteller. Trotz der beschlossenen einstweiligen Anordnung hat das Gericht nämlich im Hauptsacheverfahren offenbar keinen Grund für Beanstandungen gesehen.
Die gültige Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern besagt nämlich – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
„Eine Fraktion besteht in Städten mit mehr als 25 Mitgliedern der Stadtvertretung aus mindestens drei und in Städten mit mehr als 37 Mitgliedern aus mindestens vier Mitgliedern.“
Die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern ist damit weitergehend als die neue Regelung in Schleswig-Holstein. Wenn man der Argumentation der Antragsteller folgt, besteht in Mecklenburg-Vorpommern sogar ein 12 Prozent-Hürde für die Bildung von Fraktionen, die dennoch verfassungskonform ist. Daran hat auch die einstweilige Anordnung nichts geändert, sondern sie hat unnötigerweise lediglich den Zeitpunkt des Inkrafttretens hinausgeschoben. Ich halte die Lesart einer 9 oder 12 Prozent-Hürde im Übrigen für falsch. Denn die in Land und Bund geltende 5 Prozent-Hürde bezieht sich auf den Einzug einer Partei ins Parlament und nicht auf Fraktionsrechte.
Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen!
Zweitens argumentieren die Antragsteller, dass ein Heraufsetzen der Fraktionsgrenze an den „Grundfesten der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen“ rütteln würde.
Auch dieses Argument wendet sich allerdings gegen die Antragsteller. Wenn man - wie es die Antragsteller tun – die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen nicht nur auf die Anzahl der Sitze, sondern auch auf die Regelungen zur Fraktionsgröße bezieht, dann müssten nämlich konsequenterweise auch Zwei-Personen-Fraktionen unzulässig sein, da hier die doppelte Anzahl von Wählerstimmen gegenüber einer Partei, die nur einen Sitz erreicht hat, eben nicht nur zur doppelten Anzahl von Sitzen, sondern zusätzlich auch zu dem Recht auf Bildung einer Fraktion führt.
Da bei Zwei-Personen-Fraktionen aber zu keinem Zeitpunkt ein Verstoß gegen die Erfolgswertgleichheit von Wählerstimmen beanstandet oder gar festgestellt worden ist, ist das bei einer Mindestgröße von drei Personen logischerweise ebenfalls nicht der Fall.
Drittens führen die Antragsteller an, dass der Eilantrag der „Abwehr schwerer Nachteile“ diene, die sich ergeben würden, wenn zwei Vertreter einer Partei bis zur Hauptsache-entscheidung keine Fraktion gründen könnten.
Das Gegenteil ist der Fall: Schwere Nachteile könnten entstehen, wenn zunächst noch auf alter Rechtsgrundlage Zwei-Personen-Fraktionen gebildet würden, diese nach der Hauptsache-Entscheidung dann aber wieder aufgelöst werden müssten.
Schwere Nachteile würden sich dann zum Beispiel für die zwischenzeitlich abgeschlossenen Mitarbeiterverträge ergeben, die gekündigt werden müssten.
Die in der Zwischenzeit unnötigerweise gezahlten Fraktionszuschüsse wären zudem ein finanzieller Nachteil für den kommunalen Haushalt.
Zu guter Letzt führen die Antragsteller an, dass die Regelung zur Fraktionsgröße das Wahlverhalten bei der Kommunalwahl beeinflussen könnte, da Wählerinnen und Wähler davon abgehalten werden könnten, einer Partei ihre Stimme zu geben, bei der nur eine geringe Aussicht auf die Bildung einer Fraktion bestünden.
Aus den Bundesländern, in denen eine vergleichbare Regelung in der Vergangenheit bereits eingeführt worden ist, liegt nach meinem Wissen kein einziger empirischer Beleg für diese Behauptung vor.
Auch die gelebte Praxis spricht gegen diese Unterstellung, denn obwohl Kleinstparteien möglicherweise noch nicht einmal einen Sitz in der Kommunalvertretung erhalten, werden sie von Menschen gewählt. Das Nicht-Erreichen einer Fraktionsgröße ist demgegenüber die viel geringere Konsequenz, die deshalb keinerlei Auswirkung auf das Wahlverhalten haben dürfte.
Wenn die Stimmenzahl nicht für die Bildung einer Drei-Personen-Fraktion reicht, weil nur zwei Sitze errungen wurden, dann wissen die Wählerinnen und Wähler trotzdem, dass ihre Stimmen nicht verloren gegangen sind, sondern die von ihnen gewählte Partei mit vollwertigen Mitgliedern in der Kommunalvertretung ihre Wählerinnen und Wähler repräsentiert.
Und darauf kommt es in erster Linie an und nicht darauf, ob die Stimmen für die Bildung einer Fraktion reichen oder nicht.
Meine Damen und Herren, ich bitte deshalb um Zustimmung zu der Abgabe einer Stellungnahme des Landtages an das Landesverfassungsgericht in dem von mir vorgetragenen Sinne.
Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel