Erziehungshilfeeinrichtungen | | Nr. 269/21
TOP 17+51: Jeder Einzelfall erfordert eine genaue individuelle Analyse
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Kinder und Jugendliche, die ihre Kindheit in einem Heim verbringen müssen, stehen oft vor ganz anderen Herausforderungen als all diejenigen Heranwachsenden, die von der Sicherheit und Geborgenheit einer behüteten Kindheit in einer Familie profitieren durften und dort eine Neugierde und Freude am Lernen entwickelt haben.
Es ist wenig überraschend, dass Kinder und Jugendliche, die in Erziehungshilfeeinrichtungen aufwachsen, oftmals neben einem erhöhten schulischen Förderbedarf auch Unterstützung in Blick auf ihre soziale und emotionale Entwicklung benötigen.
Jede Geschichte, die dazu geführt hat, dass ein Kind in einem Heim lebt, ist eine ganz individuelle Geschichte. Jeder Einzelfall erfordert eine genaue individuelle Analyse und eine sorgfältige Begleitung unter Abwägung aller Aspekte. So ist unser Verständnis einer guten sonderpädagogischen Vorgehensweise. Ein landeseinheitlich standardisiertes Konzept für den Umgang mit Heimkindern, wie es Herr Brodehl in seinem Antrag fordert, halten wir weder für angemessen noch für zielführend, weil eben jedes Kinderschicksal individuell und einmalig ist. Daher lehnen wir diesen Antrag ab.
In Schleswig-Holstein ist die „Schulische Integration von Kindern und Jugendlichen in Erziehungshilfeeinrichtungen“ per Erlass vom 20. Oktober 2017 bereits sehr klar geregelt und das ist gut so.
Ich danke Ministerin Prien für den vorgelegten Bericht. Der Bericht befasst sich mit der Umsetzung des Erlasses und gibt Anregungen für eine gut gelingende praktische Umsetzung der grundsätzlichen rechtlichen Regelungen – vom Schulgesetz, über das Jugendförderungsgesetz bis hin zum Erlass zur „Schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen in Erziehungshilfeeinrichtungen“.
Das Bildungsministerium hat in diesem Jahr an alle 15 Schulämter und das Sozialministerium hat an alle 306 Träger der Erziehungshilfeeinrichtungen Fragebögen zur Evaluation des Erlasses versandt.
Die Schulämter haben Kenntnisse über 3403 Kinder und Jugendliche in Erziehungseinrichtungen. 82,5 % dieser Kinder besuchen allgemeinbildende Schulen oder Förderzentren, für 17,5% der Kinder findet eine Beschulung durch anderweitigen Unterricht in den Erziehungshilfeeinrichtungen statt. Dieser wird durch die Förderzentren begleitet.
Im Ergebnis weist der Bericht auf drei wesentliche Komponenten hin, die neben klaren rechtlichen Regelungen für eine gelingende Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus Erziehungseinrichtungen von Bedeutung sind:
- Eine gute Kooperation zwischen Schule und Erziehungshilfeeinrichtung mit festen Ansprechpartnern: Nur so kann eine angepasste individuelle Vorbereitung auf den Schulbesuch, eine individuelle Absprache und eine individuelle Vorgehensweise in Konfliktsituationen gelingen.
- Strukturierte Absprachen, transparente Verfahren und die Einbeziehung aller relevanter Akteure. Hier wäre aus Sicht der Schulämter eine erleichterte Anforderung der Schulakte wünschenswert. Dazu soll es eine Nachbesserung im Erlass geben.
- Zeit und Personal. Insgesamt zusätzliche 65 Vollzeitstellen an allgemeinbildenden Schulen und Förderzentren stehen zur Verfügung, um dem erhöhten Kooperations- und Unterstützungsbedarf Rechnung zu tragen.
Kinder, die in den ersten Lebensjahren schwierige Ereignisse erlebt oder gar traumatische Erfahrungen gemacht haben, brauchen nicht nur viel Zeit und viel Geduld, sondern vor allem viel individuelle Zuwendung, eine vertraute Umgebung und vertraute Personen, damit sie Teil einer Gemeinschaft werden, eine Lernbereitschaft und eine Freude am Lernen entwickeln und einen guten Platz im Leben finden.
Ich danke allen, die sich in diese Arbeit einbringen, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Wohle der nächsten Generation.
Den Bericht überweisen wir zur weiteren Beratung in den Bildungsausschuss.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel