Perspektivplan | | Nr. 085/21
TOP 39a: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
nach der letzten Beratung zwischen Bund und Ländern wurde kritisiert, dass die Landesregierung unseren Perspektivplan nicht im Bund durchgesetzt habe. Der Ministerpräsident hätte den Mund zu voll genommen und eine Niederlage erlitten, hieß es. Andererseits gab es Kritik, dass die von der Landesregierung angekündigten Schritte für den 22. Februar bzw. den 1. März zu weitreichend seien, dass die Öffnung von Kitas und Grundschulen zu früh erfolgen würde und dass diese Maßnahmen nicht mit Hamburg abgestimmt seien.
Meine Damen und Herren, beide Kritikpunkte standen dabei in einem diametralen Widerspruch zueinander. Wenn der Perspektivplan auf Bundesebene beschlossen worden wäre, dann wäre nämlich bei Kitas und Schulen, beim Individualsport, bei körpernahen Dienstleistungen, bei Wildparks und Zoos alles genau so erfolgt, wie es die Landesregierung für den 1. März angekündigt hat, denn all das war auch im schleswig-holsteinischen Perspektivplan-Vorschlag für die erste Stufe vorgesehen.
Diese beiden sich widersprechenden Kritikpunkte gemeinsam zu äußern, das schafft tatsächlich dann auch nur die SPD, wie wir es in der letzten Landtagsdebatte von Serpil Midyatli und Ralf Stegner hier erlebt haben. Gleichzeitig hat der Oppositionsführer dann aber auch noch die Unterstützung der SPD für die Entscheidungen der Landesregierung zugesagt. Da kann ich nur sagen: Chapeau! Doppelt Kritik äußern und gleichzeitig Unterstützung zusagen, das muss man erst einmal unter einen Hut bekommen.
Wenige Tage später galt diese Unterstützung dann allerdings nur noch eingeschränkt, denn stattdessen forderte Ralf Stegner nunmehr einen einheitlichen „Nordplan“ für die Öffnung in den norddeutschen Bundesländern. Als der Oppositionsführer diese Forderung letzte Woche aufstellte, da hatte Niedersachsen die Blumenläden und Gartencenter bereits wieder geöffnet. Hamburg hatte dem dagegen eine klare Absage erteilt. Mecklenburg-Vorpommern wiederum öffnet nun ebenfalls zum 1. März neben den Friseuren auch die Nagelstudios, die Gartencenter und die Zoos – übernimmt also im Grunde die schleswig-holsteinischen Vorschläge. Der Draht zwischen Daniel Günther und Manuela Schwesig scheint also zu funktionieren und das beantwortet dann auch die Frage der SPD-Fraktion nach den Aktivitäten der Landesregierung für eine einheitliche norddeutsche Lösung.
Hätte der Herr Oppositionsführer statt öffentliche Forderungen aufzustellen doch lieber die beiden SPD-Ministerpräsidenten in Niedersachen und Hamburg davon überzeugt, sich der schleswig-holsteinischen Position anzuschließen. Das wäre der perfekte Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Positionen gewesen und dann hätten wir auch eine gemeinsame norddeutsche Lösung.
Heute nun will die SPD wissen, mit welcher Position die Landesregierung in die Beratungen zwischen Bund und Ländern in der nächsten Woche geht. Da hat sich die SPD vermutlich gedacht, bei einer solchen Fragestellung kann die Landesregierung eigentlich nur verlieren.
Hält sich die Landesregierung nämlich alle Verhandlungsoptionen offen, um sich in der Konferenz bestmöglich für die Interessen unseres Landes einsetzen zu können, dann würde die SPD kritisieren, dass die Landesregierung keine klare Position bezieht. Macht der Ministerpräsident aber konkrete Vorschläge, wird er hinterher von der SPD dafür kritisiert, dass er diese nicht 1:1 durchgesetzt hat, was in der Verhandlung mit 15 anderen Bundesländern und dem Bund vermutlich nie der Fall sein wird.
Das ist ein wirklich leicht durchschaubares Spiel, was die SPD hier treibt. Umso mehr will ich unserem Ministerpräsidenten meine Anerkennung und meinen Respekt dafür zollen, dass er seiner Linie treu geblieben ist und hier präzise Vorschläge gemacht hat.
Meine Damen und Herren, der schleswig-holsteinische Perspektivplan sieht vor, den Einzelhandel bei einer Inzidenz von unter 50 wieder zu öffnen. Am besten wäre es, wenn die Infektionszahlen soweit sinken würden, dass das mit dem nächsten Öffnungsschritt ab dem 8. März auch tatsächlich möglich ist. Der Leidensweg für den Einzelhandel dauert jetzt wahrlich lange genug.
Sollte das aber nicht der Fall sein, dann ist der Vorschlag des Ministerpräsidenten ein genialer Ausweg: Nach Click & Collect jetzt Click & Meet, so dass nach vorheriger Terminvereinbarung eine Beratung sei es im Küchenfachgeschäft oder im Autohandel wieder möglich ist. Zur reservierten Zeit kann ein Kunde dann auch wieder in der Buchhandlung stöbern, wenn er sich noch nicht für einen bestimmten Titel entschieden hat. Und in der Boutique oder beim Herrenausstatter lassen sich die Kleidungsstücke wieder vorher anprobieren, statt sie in der Hoffnung auf die passende Größe mitzunehmen oder online zu bestellen.
Ich finde, das wäre ein guter Weg, um dem Einzelhandel zu helfen. Das entspricht auch vielen Mails, die wir alle in den letzten Tagen von Brautmodengeschäften und anderen bekommen habe, die genau so etwas gefordert haben. Wie gesagt, alles nur dann, wenn eine Öffnung des Einzelhandels insgesamt nicht möglich sein sollte.
Meine Damen und Herren, auch bei den Schulen sollten wir den nächsten Öffnungsschritt gehen. Die Rückkehr zum Präsenz- bzw. Wechselunterricht war nach dem Perspektivplan der Landesregierung nicht nur für die Grundschulen, sondern auch für die 5. und 6. Klassen vorgesehen. Wir haben jetzt diese Woche und mit den Entscheidungen für nächste Woche erste Erfahrungen gesammelt. Genau so lässt sich auch zukünftig differenziert vorgehen: In Abhängigkeit vom kreisweiten Infektionsgeschehen bleiben die Schulen entweder geschlossen, starten zunächst mit Wechselunterricht oder können in den Präsenzunterricht zurückkehren. Genau nach dieser Vorgehensweise können wir auch bei den 5. und 6. Klassen verfahren.
Meine Damen und Herren, bei der Expertenanhörung letzte Woche haben wir viel für die besondere Betroffenheit von Kindern und Jugendlichen gesprochen. Ich begrüße deshalb sehr, dass in den Vorschlägen des Ministerpräsidenten auch die Öffnung von Jugend- und Freizeittreffs sowie das Zulassen von Kindersportgruppen in Aussicht gestellt wird, und zwar jeweils in festen Kohorten, so wie wir es in den Kitas und Schulen praktizieren.
Auch diese Frage der SPD-Fraktion ist damit beantwortet. Neben Kindern und Jugendlichen geht es aber auch um die Menschen in Pflegeeinrichtungen, die von dem Virus am stärksten betroffen waren und deshalb als Erstes geimpft wurden. Es ist eine große Erleichterung und ein echter Erfolg, dass wir in diesen Tagen mit 1. und 2. Impfung in den stationären Pflegeinrichtungen komplett durch sind. Daraus folgt aus meiner Sicht aber zwingend, dass für diesen geschlossenen Personenkreis, der nun über Impfschutz, über Herdenimmunität, verfügt, wieder Kontakte innerhalb der Pflegeeinrichtung zugelassen werden. Gemeinsames Essen im Speisesaal, Aufenthalt in der Bibliothek und Bewegung im Fitnesskurs oder im Schwimmbad - all das beendet die weitgehende Isolation in den letzten Monaten und ist für die körperliche und geistige Gesundheit unglaublich wichtig.
Meine Damen und Herren, es geht in der heutigen Debatte und der bevorstehenden Bund-Länder-Konferenz aber nicht nur um den nächsten Öffnungsschritt, sondern wir brauchen auch eine darüberhinausgehende Perspektive für Gastronomie und Hotellerie. Der Inlandstourismus war nicht die Ursache für die zweite Corona-Welle. Das war eines der zentralen Ergebnisse der Expertenanhörung letzte Woche hier im Landtag. Wir müssen deshalb schauen, wie wir für unsere Tourismusbranche das Osterreise-geschäft unter bestimmten Auflagen und Bedingungen gestalten können.
Auch hier finde ich, ist es ein kluger Vorschlag des Ministerpräsidenten, mit einer Öffnung der Außengastronomie einen ersten Schritt zeitlichen vorzuschalten. Dies ist unter Infektionsschutz-Gesichtspunkten sicherlich mit am wenigsten Risiko verbunden und gleichwohl erlaubt es den Gastronomen, das Geschäft langsam wieder hochzufahren. Anschließend ist es dann hoffentlich möglich, mit Beginn der Osterferien auch Hotelübernachtungen und Gastronomie insgesamt wieder zuzulassen und in Verbindung mit negativen Testergebnissen sicher zu gestalten.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat diese Vorschläge heute hier unterbreitet und nimmt dabei bewusst in Kauf, von der SPD nächste Woche dafür kritisiert zu werden, dass sich diese Vorschläge möglicherweise nicht komplett im Beschluss von Bund und Ländern wiederfinden. Wie auch immer die MPK aber nächste Woche ausgeht, diese Vorschläge sind mit ihrer differenzierten Ausgestaltung und der abgestuften Vorgehensweise meines Erachtens sehr gut auch für eine landesseitige Umsetzung geeignet, selbst wenn diese nicht bundesweit einheitlich erfolgen sollte. Insofern kommt es auch dieses Mal mindestens genau so sehr wie auf den Bund-Länder-Beschluss auf die anschließenden Entscheidungen bei uns in Schleswig-Holstein an. Vielleicht haben wir dabei ja auch die SPD an unserer Seite.
Klar ist auf jeden Fall: Es bleiben schwierigste Abwägungen, die in den nächsten Wochen und Monaten zu treffen. Mit zunehmende Impfquoten und immer leichteren Testmöglichkeiten ergeben sich dabei aber auch positive Faktoren, die in diese Entscheidungen einzubeziehen sind. Insofern ist die Lage ernst, aber nicht hoffnungslos.
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
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