Experementierklausel | | Nr. 61/23
TOP 36: Gestaltungsräume durch Experimentierklausel schaffen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Bildung und Freiheit bedingen einander: Ohne Freiheit keine echte Bildung und ohne Bildung keine Freiheit. Nicht zuletzt deshalb ist im Grundgesetz die Freiheit der Lehre garantiert, die ja auch eine Freiheit der Bildung ist.
Eine andere Verknüpfung ist: Wer frei, das heißt freiwillig, lernt, lernt erfolgreicher. Wenn also Bildung und Freiheit zusammenkommen, ist das immer etwas Gutes.
Und was bedeutet das Ganze jetzt für unseren Antrag, „Gestaltungsräume für Schulen durch Experimentierklauseln“ zu schaffen?
Experimente sind nur eine weitere Facette von Freiheit und Bildung. Man nimmt sich die Freiheit, etwas auszuprobieren und erzielt dadurch Wissensgewinne. Und Experimente können und dürfen auch mal schiefgehen! Auch aus Fehlern lernen wir und machen es beim nächsten Mal besser. Und genau dazu wollen wir unsere Pädagoginnen und Pädagogen motivieren und die Freiheit an Schulen noch mehr ermöglichen.
Schulen sollen zu Laboren werden, in denen an der Schule von morgen geforscht wird. Ideen gibt es bereits viele, manche werden sich lohnen, manche weniger. Wichtig ist, gewonnene Erkenntnisse zu reflektieren.
Damit unsere Schulen diesen Weg auch gehen können, möchten wir ihnen ein Konzept an die Hand geben. Das soll sie motivieren, Freiräume zur innovativen Gestaltung von Schule und Unterricht zu nutzen. Natürlich soll sich dabei an Best-Practice-Beispielen orientiert werden. Gleichzeitig gilt es, Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wie Schulen innovative Konzepte entwickeln und erproben können.
Natürlich nutzen manche Bildungseinrichtungen die bestehenden Freiräume bereits sehr erfolgreich. Auf den gerade einsetzenden Regionalkonferenzen des Bildungsministeriums können sich alle an Schule beteiligten Akteure über ihre Best-Practice-Beispiele informieren und von- und miteinander lernen.
Aber natürlich sollen nicht nur bereits vorhandene Idee genutzt, sondern bewusst auch ganz neue Wege eingeschlagen werden.
Schule muss heute ganz anders als noch vor einigen Jahrzehnten und sogar Jahren gedacht werden. Die Anforderungen und Herausforderungen an junge Menschen nehmen stetig zu. Deshalb möchten wir unsere Schülerinnen und Schüler durch Zukunftskompetenzen fit machen: Dazu gehören die Bereiche Demokratiebildung, BNE, Lernen durch Engagement, Entrepreneurship Education, Verbraucherbildung, MINT, Begabungsförderung usw.
Diese Aufgabenfelder beschränken sich nicht auf einzelne Fächer, sondern müssen übergreifend und global gedacht werden. Dazu sollen beispielsweise die Gestaltungsräume genutzt werden, welche die Kontingentstundentafel bereits bietet.
Unterricht muss neue Wege gehen: Fächerübergreifend, interdisziplinär, problemorientiert, kollaborativ oder auch individualisiert soll gelernt werden. Aber auch an Zeit, Raum und Struktur des Unterrichtsgeschehens soll experimentiert werden. Muss man immer im Klassenraum lernen, darf eine Stunde nur 45 Minuten dauern, sollte die Schule auch mal um 9 Uhr beginnen?
Warum nicht auch neue Wege der Leistungsbewertung ausprobieren? Ein Portfolio über einen längeren Zeitraum kann je nach Fach und Thema mehr über den Lernweg und -zuwachs eines Schülers aussagen als eine Klassenarbeit, die nur das Lernziel überprüft.
Auch neue Arbeitszeitmodelle können eine wertvolle Anregung sein. Freitag könnte der Tag an Schulen sein, an dem Projektarbeit stattfindet. Wie kann KI in unseren Bildungseinrichtungen Einzug halten? Kann ChatGPT sinnvoll genutzt werden?
Als Klassenlehrer stand für mich stets die Beziehung zu meinen Schülerinnen und Schülern an erster Stelle. Beziehungen brauchen Zeit, um aufgebaut, gefestigt und vertieft zu werden. Und diese Zeit geht an vielen Schulen zulasten des Unterrichts, schließlich muss die Klassenlehrkraft häufig Klassengeschäfte im Fachunterricht besprechen – in meinem Fall im Deutschunterricht. Wie sehr habe ich mir eine regelmäßige Klassenleitungsstunde gewünscht. Davon würden nicht nur die Fachkompetenzen profitieren, sondern die Klassengemeinschaft, die einzelnen Schülerinnen und Schüler, die Lehrkraft sowie die Elternschaft. Im Rahmen der Experimentierklausel könnte also auch dieses Problem angegangen werden.
Unser Vorhaben ist in dieser Form einzigartig in Deutschland und somit selbst ein Experiment, mit dem wir Schulen explizit dazu ermutigen, neue Wege zu gehen, um das Potenzial aller ihrer Schülerinnen und Schüler zu entfalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Schule darf nicht starr, unbeweglich und unflexibel sein. Schule ist ein Ort des Lernens, Lachens und Lebens.
Sie muss sich stetig weiterentwickeln und unsere Experimentierklausel wird der Katalysator für die Schule von morgen sein!
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel