Ukraine | | Nr. 65/22
TOP 34a: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine und ihrer gesamten Bevölkerung!
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
erschüttert und fassungslos stehen wir vor den heutigen Ereignissen. 77 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges herrscht wieder Krieg in Europa. Unsere Gedanken und Gebete sind bei der ukrainischen Bevölkerung.
Es ist kaum vorstellbar, was diese Situation für die Menschen in der Ukraine bedeutet, die der akuten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sind, um die Zerstörung ihrer Heimat, sowohl des eigenen Zuhauses als auch ihres Staates fürchten müssen und persönlich vielleicht schon jetzt oder in Kürze in Kampfhandlungen verwickelt sind.
Wir stehen deshalb fest an der Seite der Ukraine und ihrer gesamten Bevölkerung!
Was wir seit Dienstag und in aller Dramatik am heutigen Tag erleben, ist kein begrenzter regionaler Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, sondern es handelt sich um einen grundlegenden Paradigmenwechsel.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges haben wir während des Kalten Krieges 40 Jahre mit der latenten Gefahr eines 3. Welt-krieges gelebt, der unter Umständen auch mit atomaren Waffen auf deutschem Boden ausgefochten worden wäre und uns Gott sei dank erspart geblieben ist.
Mit Glasnost, Perestroika und Mauerfall konnten wir uns dann seit 1989 mehr als dreißig Jahre lang über Frieden und Freiheit in Europa freuen. Statt gegenseitiger Bedrohung stand friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit im Vordergrund. Ein militärischer Konflikt mitten in Europa war unter diesen Umständen kaum noch vorstellbar.
Diese Friedensperiode ist mit den aktuellen Ereignissen in dieser Woche unwiderruflich zu Ende gegangen. Nach der völkerrechtswidrigen Annexikon der Krim im Jahre im 2014 folgt nun der russische Angriff auf die gesamte Ukraine. Russland setzt damit erneut militärische Gewalt ein, um Grenzen in Europa zu verschieben und stellt das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine als souveräner Staat insgesamt in Frage.
Aggressiver Nationalismus und Militarismus sind damit zurück auf der politischen Bühne, wie wir sie zuletzt in den dunkelsten Tagen Europas erlebt haben. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten.
Die letzten Wochen waren die Wochen der Diplomatie. Heute müssen wir aber feststellen, dass alle diplomatischen Bemühungen - selbst auf höchster Ebene - Russland und Putin nicht von der befürchteten Eskalation der Gewalt abhalten konnten.
Selbstverständlich kommt der Diplomatie auch weiterhin die Rolle zu, den militärischen Konflikt schnellstmöglich zu beenden. Dafür lohnen alle möglichen Anstrengungen. Allein mit Diplomatie ist es aber nicht mehr getan, sondern es braucht nun auch eine klare Antwort auf die russische Aggression.
Für Waffenlieferungen an die Ukraine ist es nun allerdings zu spät. Zur bitteren Wahrheit des heutigen Tages gehört, dass wir die Ukraine mit dieser fehlenden Unterstützung ihrem Schicksal überlassen haben. Aus der historischen Verantwortung Deutschlands heraus wäre es meines Erachtens geboten gewesen, dem Opfer eines drohenden Angriffskrieges mit solch einer Hilfe stärker zur Seite zu stehen.
Eine Inbetriebnahme von NordStream 2 ist unter diesen Umständen absolut unvorstellbar. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck den Zertifizierungsprozess umgehend gestoppt hat und die Pipeline deshalb bis auf weiteres nicht in Betrieb gehen wird.
Eine Pipeline nicht in Betrieb zu nehmen, durch die bislang überhaupt kein Gas geflossen ist, macht für Russland allerdings auch nicht den ganz großen Unterschied gegenüber dem bisherigen Status quo aus.
Wenn wir Russland mit harten Sanktionen treffen wollen, dann müssen wir uns auch fragen, ob wir nicht auf Gasimporte aus Russland ab sofort gänzlich verzichten, also auch NordStream 1 und die Jamal-Pipelin über Belarus nicht länger nutzen.
Unsere Gasvorräte reichen noch bis in den Sommer. Dennoch werden wir an dieser Stelle allerdings sehr schnell merken, wie abhängig wir bislang von russischen Gaslieferungen sind.
Und aus dieser Abhängigkeit können wir uns nur befreien, wenn uns alternative Bezugsquellen zur Verfügung stehen. Deshalb brauchen wir eine LNG-Importterminal, um zumindest mittelfristig Flüssiggas aus anderen Regionen der Welt importieren zu können.
Meine Damen und Herren, dies ist aber keine rein energiepolitische Debatte seit dem heutigen Tag, sondern wir müssen uns auch mit den sicherheitspolitischen Aspekten beschäftigen.
Diplomatie und Sanktionen können immer nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn dieses aus einer Position der Stärke heraus erfolgt. In den letzten dreißig Jahren hat sich das militärische Gleichgewicht in Europa jedoch einseitig zu Gunsten Russlands verschoben.
Ich fürchte, im aktuellen Zustand ist die Bundeswehr nur sehr begrenzt zur Landes- und Bündnisverteidigung in der Lage. Wir müssen deshalb jetzt alles dafür tun, um die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr im vollen Umfang herzustellen, damit Deutschland seinen Beitrag zu einer europäischen Sicherheitspolitik leisten kann. Eine Aufstockung des Verteidigungsetats darf deshalb nicht länger ein Streitpunkt sein und wir müssen uns auch fragen, ob ein Wiederaufleben der Wehrpflicht, die ja ganz bewusst nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt worden ist, unter der veränderten Sicherheitslage nicht möglicherweise geboten wäre.
Neben dieser mittelfristigen Perspektive müssen wir kurzfristig in enger Abstimmung mit unseren NATO-Partnern und insbesondere den USA weitere Schritte ergreifen, um Russland von einer Fortsetzung seines völkerrechtswidrigen Handelns abzuhalten.
Ohne ein solches militärisches Abschreckungspotential steht ansonsten nämlich zu befürchten, dass harte Sanktionen Russland derart in die Enge treiben, dass sich Präsident Putin zu weiteren unkalkulierbaren militärischen Reaktionen hinreißen lassen könnte.
Niemand würde Putin heute noch als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnen. Folgt man stattdessen der gestrigen Charakterisierung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, dann handelt es sich bei Putin um einen „geschichtsbessenen, autistischen Entscheidungsträger“.
Von einem solchen Autokraten ist aber das Schlimmste zu befürchten. Davor müssen wir uns wappnen und dafür bleibt nach der jetzigen Eskalation nicht mehr viel Zeit!
In Kriegszeiten ist nicht die Zeit für parteipolitische Auseinandersetzungen. Wenn wir in den letzten zwei Jahren schon geglaubt haben, dass wir mit der Coronapandemie die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg zu meistern hatten, dann werden wir jetzt feststellen, dass wir mit Sanktionen, der Energieversorgung und mit Sicherheitspolitik vor Herausforderungen weitaus größerer Dimensionen in der nächsten Zeit stehen werden.
Dafür ist die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert, das wird aber nur gemeinsam gelingen, und so sind Regierung und Opposition gemeinsam gefragt. Ich sage es heute ganz deutlich: Als Union stehen wir dafür bereit, die Bundesregierung bei ihrem Handeln zu unterstützen. Jetzt ist Gemeinsamkeit gefordert.
Herzlichen Dank!
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel