Haushalt 2024 | | Nr. 92/24
TOP 2u.a: Geschlossenheit und Verantwortung sind das Credo in herausfordernden Zeiten
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der heute dem Landtag zur Beschlussfassung vorliegende Haushaltsentwurf muss mit nahezu identischen Steuereinnahmen wie im Jahr 2022 auskommen. Seit zwei Jahren erleben wir kein Wachstum der Steuereinnahmen mehr, sondern Stagnation.
Die Steuerschätzung aus dem Oktober 2022 – das ist gerade einmal anderthalb Jahre her, der russische Angriff auf die Ukraine hatte bereits begonnen und die Ampel in Berlin war schon ein Jahr im Amt – und trotz dieser widrigen Umstände prognostizierten die Steuerschätzer damals Steuereinnahmen für das Jahr 2024, die um rund 700 Millionen Euro höher liegen sollten, als sie heute noch erwartet werden.
Stattdessen befindet sich Deutschland mittlerweile in einer Wirtschaftskrise mit einer Rezession im vergangenen Jahr und keiner Aussicht auf Besserung in diesem Jahr. Die Folge davon ist, dass die Steuereinnahmen deutlich hinter der früheren Erwartungen zurückbleiben. Und nur ein kleiner Teil dessen - weniger als 200 Millionen Euro - lässt sich durch den veranschlagten Konjunkturkredit ausgleichen. Mit anderen Worten: Wir müssen mit rund einer halben Milliarde Euro weniger Einnahmen auskommen, als noch vor 18 Monaten geschätzt wurde.
Gleichzeitig steigen die Ausgaben:
Die Zinsausgaben verdoppeln sich nahezu: Von 350 Millionen Euro im Jahr 2022 auf jetzt erwartete 600 Millionen Euro – somit 250 Millionen Euro mehr als noch vor zwei Jahren.
Und der größte Ausgabenblock, die Personalausgaben steigen sogar um rund 800 Millionen Euro. Ja, das liegt natürlich auch an den im vergangenen und in diesem Jahr neu eingerichteten Personalstellen, die wir ganz bewusst geschaffen haben, um 100 Prozent Unterrichtsversorgung zu gewährleisten und die Sicherheit bei uns im Land sowie das Funktionieren unseres Rechtssystems sicherzustellen. Aber selbst 2.000 neue Stellen verursachen – wenn sie denn überhaupt alle besetzt sind – lediglich Kosten zwischen 100 und 200 Millionen Euro im Jahr.
Der weitaus größte Teil des Personalkostenanstiegs geht deshalb nicht auf politische Entscheidungen, sondern auf unabweisbare Tarifsteigerungen und die verfassungsgemäße Alimentation der Beamtinnen und Beamten zurück, die aufgrund verschiedener Verfassungsgerichtsurteile in den vergangenen Jahren durch entsprechende Gesetzesänderungen gestärkt wurde.
Meine Damen und Herren, bei stagnierenden Steuereinnahmen steigende Zins- und Personalkosten von zusammen über einer Milliarde Euro zu bewältigen, ist wahrlich keine leichte Aufgabe, die es mit dem Haushalt des Jahres 2024 zu bewältigen gilt. Und dennoch ist das mit dem vorliegenden Entwurf gelungen!
Das gelingt, weil unsere Landesregierung nach der erstmals verschlechterten Steuerschätzung im Mai letzten Jahres mit der verhängten Haushaltssperre sofort gegengesteuert hat. Damals vielfach als unnötig und überstürzt kritisiert, zeigt sich jetzt, wie richtig es war, sofort das Ruder herumzureißen, erste Einsparungen vorzunehmen und vor allem einen Bewusstseinswandel dahingehend einzuleiten, dass die guten Jahre vorüber sind.
Der Nachschiebeliste können Sie entnehmen, dass die Deckelung der Personalkosten, die die Landesregierung mit der Haushaltssperre verhängt hat, eine Rücklagenbildung von 195 Millionen Euro ermöglicht hat, die jetzt zum Ausgleich des Haushaltes 2024 herangezogen werden kann.
Der Haushalt 2024 gelingt außerdem deshalb, weil die Landesregierung mit Sparmaßnahmen im dreistelligen Millionenbereich von über 100 Millionen Euro aktiv gegensteuert. Und der Haushalt 2024 gelingt, weil bei ganz vielen Positionen der Ausgabenanstieg gedeckelt wurde und Ansätze unverändert überrollt wurden.
Das ist für viele Zahlungsempfänger mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden, weil sie Inflations- und Tarifsteigerungen mit unveränderten Landeszuschüssen bewältigen müssen. Die von ganz vielen Vereinen und Organisationen gewünschte Dynamisierung der Haushaltsansätze konnte nur sehr begrenzt umgesetzt werden. Den damit verbundenen Härten sind wir uns sehr wohl bewusst.
Meine Damen und Herren, und dann steht da ein Notkredit von rund 1,5 Milliarden Euro, und natürlich ist die Geschichte leicht erzählt, dass es der Landesregierung nur mit Hilfe dieses Notkredits gelingt, den Haushalt 2024 auszugleichen. Aber eine gute Geschichte bedeutet noch lange nicht, dass sie auch wahr ist.
Zuallererst ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich bei den 1,5 Milliarden um keinen neuen Notkredit handelt, sondern es handelt sich um einen Teil der Notkredite über insgesamt 6,5 Milliarden Euro, die der Landtag 2020 mit den Stimmen aller Fraktionen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und 2022 mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW zur Bewältigung des russischen Angriffs auf die Ukraine beschlossen hat.
Insgesamt hat der Landtag seit 2020 rund ein Dutzend Entscheidungen zur Erklärung der krisenbedingten Haushaltsnotlage, zur Inanspruchnahme von Notkrediten und zu deren Höhe getroffen. Die SPD hat allen diesen Entscheidungen zugestimmt und die FDP allen Entscheidungen zum Corona-Notkredit.
Ich will mich deshalb zweitens der Frage zuwenden, ob die Inanspruchnahme des Corona-Notkredites im Jahr 2024 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zulässig ist oder nicht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes besagt zum einen, dass zwischen den aus Notkrediten gezahlten Maßnahmen und der zu bewältigenden Krise ein Veranlassungszusammenhang bestehen muss.
Die Maßnahmen müssen also geeignet sein, um die zugrundeliegende Krise zu bewältigen. Das Verfassungsgericht besagt in Ziffer 134 seines Urteils allerdings auch, dass sich die Eignung auf die Gesamtheit der Maßnahmen und nicht auf jede einzelne Maßnahme bezieht. In Ziffer 136 wird zudem formuliert, dass die Maßnahmen nicht auf die Beseitigung der unmittelbaren Folgen der Notlage beschränkt sein müssen, da eine randscharfe Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Krisenfolgen praktisch nicht durchführbar sei.
Das alles als Hinweis an diejenigen, die in den letzten Wochen immer wieder einzelne Positionen aus dem Haushaltsentwurf herausgepickt haben und deren verfassungsmäßige Zulässigkeit in Frage gestellt haben.
Die jetzt im Haushalt 2024 veranschlagten Maßnahmen aus dem Corona-Notkredit entsprechen allesamt genau dem Maßnahmenpaket, das der Landtag 2020 mit den Stimmen aller Fraktionen für geeignet angesehen hat, um der Corona-Pandemie zu begegnen. In der Sache selbst kann es deshalb keinen Anlass für verfassungsrechtliche Bedenken geben, zumal der sachliche Zusammenhang bei jeder einzelnen Position des Haushaltsentwurfs begründet wird.
Bleibt weiter noch zu prüfen, ob die Inanspruchnahme des Corona-Notkredits im Jahr 2024 dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestelltem Grundsatz der Jährlichkeit und Jährigkeit genügt. Danach muss jedes Jahr neu geprüft werden, ob die vorgesehenen Maßnahmen statt aus dem Notkredit aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden können.
Genau diese Prüfung haben wir durchgeführt. In dem gemeinsamen Notkreditantrag von CDU, Grünen und SSW kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Notkreditinanspruchnahme von insgesamt 1,5 Milliarden Euro zur Bewältigung von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Ostsee-Sturmflut im Jahr 2024 nicht aus dem laufenden Haushalt finanziert werden kann. Wir begründen das auf fast 20 Seiten so ausführlich, wie noch bei keinem anderen Notkreditbeschluss zuvor. Angesichts der eingangs geschilderten prekären Lage des Landeshaushaltes ist das eigentlich aber auch nicht überraschend.
Zu guter Letzt wird die Verfassungsmäßigkeit des Notkredites von der Opposition noch dadurch in Frage gestellt, dass es Positionen im Haushaltsentwurf gäbe, auf die man aus Sicht der Opposition verzichten könnte, um das Notkreditvolumen zumindest zu reduzieren.
Auch hierzu sagt das Bundesverfassungsgericht allerdings ganz eindeutig in Ziffer 146 seines Urteils, dass der Haushaltsgesetzgeber vor der Inanspruchnahme einer notlagenbedingten Kreditaufnahme nicht gezwungen ist, alle Konsolidierungsspielräume auszuschöpfen. Es sei allein Sache der Parlaments, die Abwägung über die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten zu treffen.
Da mag es also politisch unterschiedliche Auffassungen zu der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einzelner Haushaltstitel geben. Ein Anlass für eine Verfassungswidrigkeit des Notkredites ergibt sich daraus allerdings nicht.
Meine Damen und Herren, wenn eine Oppositionsfraktion trotz alledem Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hat oder sogar sicher zu wissen glaubt, dass dieser Haushaltsentwurf verfassungswidrig ist, dann wäre es doch das Mindeste, einen eigenen Haushaltsantrag einzubringen, um die Verfassungsmäßigkeit durch entsprechende Änderungen herzustellen.
Wenn die Opposition also beispielsweise glaubt, dass die eingestellten Mittel für Schulbaumaßnahmen und Krankenhaus-investitionen aus Corona-Notkredit nicht verfassungsgemäß sind, dann beantragen sie doch die Streichung dieser Positionen. Dann stehen sie aber auch öffentlich dazu, dass sie die gemachten Zusagen des Landes, die sie selbst mit beschlossen haben, nicht länger einhalten wollen. Oder wenn Sie der Auffassung sind, dass die unabweisbaren Ausgaben von z.B. 20 Millionen Euro für Entschädigungszahlungen wegen Corona-bedingter Berufsverbote oder die 50 Millionen Euro für die noch zu bezahlenden Abwicklungskosten der Corona-Wirtschafts-hilfen aus dem laufenden Haushalt finanziert werden sollen, dann stellen Sie einen Antrag mit dem sie entsprechende Umschichtungen im Haushalt vornehmen. Sagen sie dann aber auch, auf welche Ausgaben sie im Haushalt an anderer Stelle verzichten wollen.
Einfach zu behaupten, dass der Haushalt verfassungswidrig sei, dann aber keine eigenen Vorschläge einzubringen, wie dieser Zustand geheilt werden kann, dazu kann ich nur sagen:
Das ist ganz dünne Suppe, die sie uns hier präsentieren. Mitten in der Krise ducken sich SPD und FDP weg. Sie wollen mit Kritik an der Regierung punkten, obwohl Geschlossenheit und Verantwortung gefragt sind, um diese multiplen Krisen zu meistern.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Reden sie sich jetzt nicht mit einem angeblichen Angebot raus, dass sie der Regierung oder der Koalition gemacht hätten. Wir haben als Fraktionsvorsitzende auf unsere Initiative hin das Gespräch mit Ihnen gesucht, und ein solches Angebot hat es nicht gegeben.
Wenn Sie damit meinen sollten, dass sie dem Notkreditbeschluss zustimmen würden, wenn wir gleichzeitig eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Schuldenbremse auf den Weg bringen, dann ist das kein Angebot, sondern das ist nichts anderes als ein politischer Kuhhandel, den sie uns vorschlagen.
Entweder ist der Notkreditbeschluss verfassungskonform, dann ist es unlauter von Ihnen, ihre Zustimmung an zusätzliche Bedingungen zu knüpfen. Oder sie halten den Notkreditbeschluss für verfassungswidrig, dann lässt sich das auch durch eine Bundesratsinitiative zur Schuldenbremse nicht heilen, weil beide Sachen nichts miteinander zu tun haben.
So wie sie parteipolitisch agieren, so kann man mit unserer Verfassung nicht umgehen!
Umso größer ist meine Anerkennung und mein Respekt für den SSW, der in dieser Situation Haltung beweist. Daran können und sollten sich SPD und FDP ein Beispiel nehmen.
Genauso wie der SSW sind auch meine Fraktion und ich davon überzeugt, dass der Notkreditbeschluss verfassungskonform ist. Aufgrund von Wirtschaftskrise, steigenden Zinsen und hoher Inflation haben wir es mit einer extrem schwierigen Situation im Haushalt zu tun. Die notwendigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung lassen sich deshalb nur mittels Notkredit finanzieren.
Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung ebenso wie für den Haushalt 2024 insgesamt. Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel