Belastungen im Schulalltag | | Nr. 74/24
TOP 26: Psychischen Belastungen und Krankheiten von Schülerinnen und Schülern begegnen
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Zeit der Leichtigkeit ist vorbei. Die idyllische, unbeschwerte Kindheit gibt es wohl höchstens noch bei Astrid Lindgren.
Heute haben psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen. Dies bestätigte das Robert-Koch-Institut im Nachgang der Corona-Pandemie. Aber nicht nur die Wissenschaft kommt zu diesem Ergebnis, auch die Betroffenen selbst.
Just betonten Vertreterinnen und Vertreter der Landesschülerschaft, der Elternverbände sowie Schulpsychologen dieses dringende Anliegen – und trugen ihre Sorgen, ihre Hilflosigkeit und vor allem ihren Willen, etwas dagegen zu unternehmen, an uns heran. Vielen Dank für den wertvollen Impuls. Die Landesregierung und wir Parlamentarier greifen ihn gerne auf. Schließlich ist es unser aller gemeinsames Anliegen, unseren Kindern zur Seite zu stehen und sie nicht alleine zu lassen.
Die Studienlage zeigt, dass die Anzahl psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen steigt. Laut des statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2021 psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen die häufigste Ursache für eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus. Ursache waren jedoch sicherlich nicht nur die sozialen Einschränkungen mit Schulschließungen und Kontaktverboten oder dem Ausfall von Vereinsleben während der Pandemie.
Hinzu kommen weitere Faktoren:
Mobbing auf dem Schulhof und vor allem in den Sozialen Medien. Der Ton selbst unter Jugendlichen ist da teils menschenverachtend – Inhalte viel zu häufig gewaltverherrlichend, sexistisch, rassistisch oder antisemitisch. Und den Schutzraum „Zuhause“ gibt es bei Cybermobbing nicht mehr. Auch Kinder sind immer häufiger „online“.
Außerdem bekommen auch unsere Kinder und Jugendlichen den traurigen Zustand unserer Welt mit. Eine Welt mit Kriegen und noch mehr Umweltproblemen. Eine Welt mit wachsender Kriminalität, mit Kinderpornographie und mit Missbrauch von Kindern und Gewalt gegen Kinder selbst in Räumen, die einstmals als „geschützt“ angesehen wurden. Entweder registrieren die jungen Menschen diese dunklen Seiten unserer Gesellschaft direkt in den Medien. Oder sie bekommen indirekt Informationen, weil in der Familie oder im Freundeskreis darüber gesprochen wird.
Leider können Familien auch nicht immer den erforderlichen Rückhalt bieten, den ein junger Mensch braucht. Hohe Trennungsraten, beruflicher Stress und damit weniger Zeit haben Folgen. Wenn es denn überhaupt einen Freundeskreis gibt! Denn: Inzwischen gibt fast jeder Fünfte der 16- bis 20-Jährigen an, sich "sehr einsam" zu fühlen.
Kinder und Jugendliche reagieren auf die Verhältnisse – man könnte sagen, sie sind wie ein Seismograf für die Gesellschaft: Wenn etwas nicht stimmt, werden auch sie krank und depressiv, bekommen Schlaf- und Essstörungen. Sie ziehen sich sozial zurück, verletzen sich oder andere. Jedes dieser Symptome wiederum belastet auch die Familien. Dort steigt der Stress, was sich wiederum auf die Kinder auswirkt.
Ein Teufelskreis. Und diesen Teufelskreis müssen und wollen wir durchbrechen.
Manches tun wir schon: Zu nennen sind das Sofortprogramm „Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei psychosozialen Folgen von Pandemie und Krisen“ mit 10 Millionen Euro für den schulpsychologischen Dienst und die Schulsozialarbeit. Oder auch die Programme „Aufholen nach Corona“ und „Pro Jung“.
Das alles reicht aber wohl nicht aus! Und: Wir wissen einfach zu wenig! Warum steigen die Zahlen von psychisch belasteten junge Menschen weiter? Wie können wir Betroffene noch gezielter unterstützen? Wie können wir präventiver besser vorbeugen?
Wir müssen also zunächst einmal mehr wissen. Wir wollen Fachleute hören, deren Vorschläge und im besten Fall deren Lösungsansätze. Das ist unser Ansinnen, das wir im Bildungsausschuss vertiefen wollen. Denn solch eine gravierende Problematik löst man nicht mal eben so nebenbei. Wir brauchen Fakten, auf deren Basis wir fundierte Entscheidungen über Maßnahmen treffen wollen.
Abschließend ein Zitat Astrid Lindgrens:
„Zwei Dinge hatten wir, die unsere Kindheit zu dem machten, wie sie war – Geborgenheit und Freiheit.“ Beides – Geborgenheit und Freiheit – ist heute so wichtig wie eh und je. Nur scheint etwas aus dem Lot gekommen zu sein: Zu viel oder zu wenig Geborgenheit und Freiheit kann zu einer folgenschweren Belastung für unsere Kinder werden. Und das müssen wir ändern!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel