Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftdienst | | Nr. 416/23
TOP 25: Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftsdienst aufheben.
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
über Schleswig-Holstein verteilt gibt es 32 sogenannte Anlaufpraxen. Diese versorgen erkrankte Menschen im Umfang wie normale Hausarztpraxen, allerdings nur außerhalb der regulären Öffnungszeiten von Hausarztpraxen. Sie decken damit einen erheblichen Teil der ambulanten Notfallversorgung ab. Rund 190.000 Patientinnen und Patienten nehmen diese Versorgungsmöglichkeit pro Jahr in Schleswig-Holstein in Anspruch. Die Ärztinnen und Ärzte, die diese 32 Anlaufpraxen am Laufen halten, gliedern sich grob in zwei Gruppen:
75 Prozent sind niedergelassene Kolleginnen und Kollegen. 25 Prozent sind sogenannte Poolärzte, das sind ungefähr 450 Personen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um angestellte Ärztinnen und Ärzte aus Krankenhäusern oder Medizinerinnen und Mediziner im Rentenalter ohne eigene Praxis. 30 Prozent aller Dienste in den Anlaufpraxen werden von diesen Poolärzten übernommen. Das sind rund 100.000 Stunden pro Jahr.
Nun hat das Bundessozialgericht am 24. Oktober ein weitreichendes Urteil gesprochen:
Die bisherige Gleichbehandlung bei der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, die Seite an Seite mit den Poolärztinnen und Poolärzten in Anlaufpraxen arbeiten, ist nicht länger rechtmäßig. Zukünftig sollen für die Poolärzte Abgaben zur Sozialversicherung fällig werden, die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sind hiervon weiterhin befreit.
In Schleswig-Holstein obliegt die Organisation der Anlaufpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, kurz KVSH. Die KVSH hat gerechnet und ermittelt, dass durch die Einführung der Sozialversicherungspflicht für Poolärzte auf die KVSH Mehrkosten in Höhe von 3-5 Millionen Euro pro Jahr zukommen. Diese wären nach heutigem Stand vollständig aus dem Budget der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu entrichten. Aus diesem Grund hat die KVSH allen 450 Poolärztinnen und Poolärzten landesweit zum 31.12.2023 gekündigt. Sollte es bei den Kündigungen bleiben, wären die Folgen vielschichtig und aus meiner Sicht gravierend.
Ich nenne nur ein Beispiel:
Wenn die Besetzung der Anlaufpraxen nicht freiwillig funktioniert, werden Niedergelassene zum Dienst verpflichtet werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann Ärztinnen und Ärzte im ländlichen Bereich besonders häufig trifft, ist groß, da dort die Arztdichte nicht so hoch ist wie in Kiel oder Lübeck. Bereits heute bestehen Probleme bei der Besetzung von Kassensitzen in ländlichen Regionen. Die erhöhte Wahrscheinlichkeit, neben der eigenen Praxis regelmäßig Dienste am Sonntag oder bis spät abends schieben zu müssen, macht eine Niederlassung dort zweifelsfrei unattraktiver.
Meine Damen und Herren, das ist nicht die Vorstellung der CDU Schleswig-Holstein von einer guten und flächendeckenden ärztlichen Versorgung der Bevölkerung. So geht es nicht.
Die KVSH hat am vorletzten Freitag allen gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Landtagsfraktionen ein gemeinsames Informationsgespräch angeboten und eine Vielzahl von Details transparent gemacht. Ohne großen Presserummel, ohne viel TamTam. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar, so arbeitet man lösungsorientiert und vertrauensvoll zusammen. Das Gespräch hat mich auch in meiner Meinung bestätigt, dass durch eine Sozialversicherungspflicht ein riesiges Bürokratiemonster bei Abrechnungen entsteht und die Sozialkassen keine wesentlichen Mehreinnahmen generieren werden.
Dieses Gespräch hat mir auch gezeigt, dass die gemeinsame Initiative der CDU-Fraktionen aus Schleswig-Holstein, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zur Aufhebung der Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftsdienst gut und richtig war und auch der ihnen jetzt zur Beratung vorliegende gemeinsame Antrag von CDU, Grünen, FDP, SPD und SSW unter Abwägung aller Aspekte der einzige sinnvolle Weg ist.
Aus Berlin hören wir, dass das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesarbeitsministerium nach dem Urteil die Gespräche mit der KBV wieder aufgenommen haben.
Ich habe die KVSH gefragt, wie denn diese Gespräche laufen. Die Antwort kann ich Ihnen nicht ersparen:
„Der unserem Haus bekannt Sachstand ist, dass es wohl in Berlin weitere Gespräche auf Fachebene gibt, man von einem Ergebnis aber weit entfernt sei.“ Das ist nicht akzeptabel. Unsere Zeit läuft ab. Politik soll Probleme lösen. Wir können heute gemeinsam ein starkes Signal nach Berlin senden, ich freue mich über breite Unterstützung.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel