Minderheiten | | Nr. 276/24
TOP 18: Minderheitensprachen sind ein wichtiger Teil unserer kulturellen Vielfalt
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Minderheitensprachen sind ein wichtiger Teil unserer kulturellen Vielfalt in Deutschland und Europa. Sie zu schützen und zu fördern ist nicht nur eine Frage der kulturellen Identität, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit für die Mehrheit und die Minderheit.
Der Europäische Rat und die UNESCO haben immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, Minderheitensprachen zu schützen. Und wir als Landesparlament haben uns dem Schutz der autochthonen Minderheiten und Volksgruppen verschrieben. Unser Antrag zur Bundesratsinitiative betreffend die Ergänzung von Art. 3 Grundgesetz und die intensive Debatte letztes Jahr im Juni sind uns allen sicher noch gut in Erinnerung.
Der Schutz und die Förderung von Minderheiten verlangen es, ihnen besondere Rechte zuzugestehen. Wenn wir alle in Deutschland anerkannten Minderheitensprachen und die Regionalsprache Niederdeutsch als Gerichtssprache anerkennen, geben wir den jeweils betroffenen Bürgern die Möglichkeit, ihre Muttersprache in ganz zentralen rechtlichen Angelegenheiten zu nutzen. Dies bedeutet Zugang zu einer inklusiven Justiz.
Eine der wichtigsten Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung einer Sprache ist es, sie in den öffentlichen Raum zu bringen. Damit die Minderheiten- und Regionalsprachen nicht nur überleben, sondern auch in den entscheidenden Bereichen unseres öffentlichen Lebens gedeihen: Und ein besonderer öffentlicher Raum sind unsere Gerichtssäle.
Als langjährige Richterin habe ich beim Lesen des Antrags zunächst zwar die Stirn gerunzelt, weil ich die Regelungen und die selbstverständliche Praxis zum Einsatz von Dolmetschern bei Bedarf für diskriminierungsfrei und angemessen halte.
Aber beim nochmaligen Blick in § 184 GVG fiel mir schon auf, dass wir die Sorben in ihren Heimatkreisen vor Gericht mit besonderen Rechten ausstatten. Und dass die kulturellen Parallelen mit der in Schleswig-Holstein beiheimateten friesischen Volksgruppe, der Gruppe der niederdeutsch sprechenden Personen, der dänischen Minderheit und der Minderheit der deutschen Sinti und Roma auf der Hand liegen.
Die deutsche Verfassung garantiert die Gleichstellung aller Bürger vor dem Gesetz. Es ist nicht wirklich Gleichstellung vor dem Gesetz, wenn eine Minderheit darauf verwiesen wird, sich in einer Sprache erklären oder verteidigen zu müssen, die nicht ihre Muttersprache ist.
Schon im Mittelalter genossen zum Beispiel die Friesen besondere Rechte, und ihre Rechtsordnungen, wie das „Friesische Recht“, haben bis heute ihre Spuren in der Region hinterlassen. Damals galt das friesische Rechtssystem als fortschrittlich und beispielhaft. Insofern wäre es auch der Respekt gegenüber einer alten Rechtskultur, die zur Entwicklung der heutigen Rechtssysteme beigetragen hat, der uns anhält, uns die von Ihnen, lieber SSW aufgeworfenen Frage näher zu beschäftigen.
Zugleich sehen wir uns verpflichtet, uns näher damit zu beschäftigen, welche Folgen die Regelung hätte und welche Herausforderungen im Detail bei der praktischen Umsetzung lauern. Welche einfachgesetzlichen Regelungen wir noch bräuchten, welche Einzugsbereiche wir als Heimatkreise vorsehen und wo wir die Grenze ziehen. Wie die Justiz, von den Kollegen in den Antragsaufnahmen und Servicebereichen bis zu den Richtern und Rechtsanwälten, den Dolmetschern sowieso, vorbereitet werden müsste. Das muss man mal sauber durchdeklinieren, bevor man abschließend ja sagt.
Deshalb wollen wir dieses Vorhaben im Innen- und Rechtsausschuss eingehender diskutieren und diejenigen Verbände und Institutionen einbeziehen die von einer solchen Veränderung betroffen wären. Sodann werden wir uns zu einer Bundesratsinitiative verhalten.
Ich beantrage die Überweisung des Antrags federführend dorthin und mitberatend in den Europaausschuss.
Vielen Dank.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel