Gendersprache | | Nr. 273/21
TOP 18+33: Rechtschreibung darf nicht für politische Positionierung missbraucht werden
Es gilt das gesprochene Wort!
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sprache und Rechtschreibung verändern sich. Neue Begriffe kommen hinzu, neue Ausdrucks-weisen entstehen und wenn man alte Texte im Original liest, stellt man fest, dass früher zum Teil ganz andere Schreibweisen als heute üblich waren.
All das passiert fortwährend und entwickelt sich quasi von unten nach oben, bis solche Veränderungen in den allgemeinen Sprach-gebrauch übergehen und Teil der anerkannten Regeln der deutschen Rechtschreibung werden.
Von oben verordnete Veränderungen, die Instrumentalisierung von Rechtschreibung für politische Auseinandersetzungen oder gar das Führen eines regelrechten Kulturkampfes um unsere Sprache, lösen dagegen genau solche Reaktionen aus, wie sie heute mit den Anträgen von AfD und des Abgeordneten Brodehl vorliegen.
Als Union lehnen wir beides ab, sowohl verordnete Sprachveränderungen als auch die beiden Anträge von Rechtsaußen.
Meine Damen und Herren, die Diskussion über die Verwendung von Gender-Sternchen, Binnen-I oder Gender-Gap ist sicherlich nicht die wichtigste Frage, die es im Augenblick zu klären gilt. Aber sie bewegt die Menschen und sie weckt Emotionen.
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir uns hier im Landtag Gedanken darüber gemacht, wie wir mit der Verwendung von Leichter Sprache mehr Menschen eine Teilhabe an politischer Diskussion und eine bessere Verständlichkeit von Wahlunterlagen oder amtlichen Schreiben ermöglichen können.
Heute dagegen fühlen sich viele Menschen sprachlich ausgegrenzt, wenn sie mit Texten konfrontiert werden, die nicht der üblichen Rechtschreibung entsprechen und die durch die Verwendung von Gender-Sonderzeichen an Lesbarkeit und Verständlichkeit verlieren. Es ist eine gefährliche und besorgniserregende Entwicklung, wenn sich die Menschen dadurch zunehmend von unserem Staat, von unserer Demokratie abwenden, was leider aus einer Reihe von Gründen ohnehin schon der Fall ist.
Deshalb darf die Frage der korrekten Recht-schreibung nicht zum Gegenstand von Parteibuchinteressen werden. Das ist im Übrigen auch keine Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern, denn diese lässt sich genauso gut ohne Verwendung von Gender-Sonderzeichen erreichen.
Als zentrale Instanz in Sachen Rechtschreibung repräsentiert der Rat für deutsche Recht-schreibung die wichtigsten wissenschaftlich und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen. Er wurde damit betraut, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren, aber auch die Rechtschreibung im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln – wie es in den Statuten heißt.
Wir sind gut beraten, seiner Empfehlung und fachlichen Expertise zu folgen. Und genau das ist in Schleswig-Holstein bereits seit dem Jahr 2006 geltende Rechtslage. Nach dem damaligen Erlass von SPD-Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave sind diese Regeln die verbindliche Grundlage für den Unterricht an allen Schulen.
Das Diktat im Deutschunterricht darf nicht zum Ort politischer und gesellschaftlicher Ausein-andersetzungen werden. Zuallererst geht es um das Erlernen einer korrekten Rechtschreibung – und das ist bei der deutschen Sprache ohnehin schon schwer genug.
Das Bildungsministerium ist Kraft Amtes Hüterin dieser grundlegenden Prinzipien.
Genauso wenig wie das Bildungsministerium politisch Einfluss auf die Schulen nehmen darf, indem es eine bestimmte Art der Recht-schreibung vorschreibt, ist es umgekehrt genauso dazu angehalten, auf die Anwendung der einheitlichen Rechtschreibregeln hinzuwirken.
Und genau das ist mit dem jüngsten Erlass geschehen und dafür hätte Karin Prien die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses verdient, zumal der Erlass parallel die Thematisierung von geschlechtergerechte Sprache im Unterricht vorsieht, um dafür das Bewusstsein zu fördern.
Kritik an dem Erlass zu äußern, bedeutet nichts anderes als einer politischen Einflussnahme auf unsere Rechtschreibung und Sprache Tür und Tor zu öffnen.
Allen Kritikern sei folgendes zum Nachdenken gegeben: Stellen Sie sich vor, der Rat für deutsche Rechtschreibung würde in der Zukunft die Verwendung von Genderzeichen empfehlen und eine Bildungsministerin oder ein Bildungsminister würde per Erlass an den Schulen anordnen, dass das nicht umgesetzt wird. Vermutlich wäre die Empörung groß und die Forderung würde lauten, dass die Empfehlung strikt befolgt und 1:1 umgesetzt werden müsse. Das gilt dann aber auch zum jetzigen Zeitpunkt und auch dann, wenn nicht jedem von Ihnen die derzeitige Empfehlung gefällt.
Meine Damen und Herren, und was für die Schulen im Hinblick auf die einheitliche Anwendung der deutschen Rechtschreibung gilt, sollte gleichermaßen auch für alle anderen staatlichen Institutionen Richtschnur sein.
Auf gar keinen Fall kann es angehen, dass Studenten eine schlechtere Benotung bekommen, nur weil sie keine Gendersternchen verwenden. Sollten sich derartige Fälle bestätigen, kann ich nur empfehlen, dem gemeinsam entgegenzutreten.
Dass jemand dafür bestraft wird, dass er die amtliche deutsche Rechtschreibung korrekt anwendet, kann ansonsten niemand verstehen.
Es sind Fälle wie diese, aufgrund derer sich die Menschen von der Politik im Stich gelassen fühlen und deshalb Protest wählen. Und daran kann wirklich niemand Interesse haben.
Herzlichen Dank!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel