Bildung | | Nr. 070/19
(TOP 16) Individuelle Bewertungen bei individuellen Bedarfen
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren,
die ersten Halbjahreszeugnisse nach Inkrafttreten der neuen Zeugnisverordnung sind gerade mal verteilt und schon ist das Unbehagen sehr groß. Der Antrag von SPD und SSW liest sich fast bedrohlich - so, als würde mit der neuen Verordnung nun eine dunkle Wolke der Ausgrenzung über unsere Förderschüler im Land hinwegziehen, ihnen würden Anschlussperspektiven und Chancen genommen, nur weil sie keine Noten bekommen.
Mich hat dieser Antrag doch erstaunt, denn das Thema haben wir bereits am 29. November im Bildungsausschuss behandelt. Bereits dort hat uns das Bildungsministerium die Umstände zu dieser Regelung nachvollziehbar erläutert.
So ist es doch klar geregelt, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in zielgleich unterrichteten Fächern auch Noten erhalten. An dieser Stelle gibt es also keine, wie sie es nennen, Diskriminierung.
Diejenigen Schülerinnen und Schüler – und hier meinen wir die Förderschwerpunkte „Lernen“ und „Geistige Entwicklung“ - die nach ihren individuellen Fähigkeiten und Begabungen mit einem passgenauen sonderpädagogischem Förderplan unterrichtet werden, erhalten einen Bericht. Denn ein individueller Förderrahmen ist rechtlich nicht mit den regulären Fachanforderungen vergleichbar. Zieldifferente, individuelle Noten gibt es nicht mehr. Schulnoten setzen immer einen Bezugsrahmen voraus. Das sind gemäß der aktuellen Rechtsauffassung die Lehrpläne und Fachanforderungen.
Diese Entscheidung hat damals die AfD massiv kritisiert und nun auch SPD und SSW.
War es aus ihren Reihen nicht bislang immer eher umgekehrt zu hören?
Wir sollten achtsam mit diesem Thema umgehen, bevor wir es politisch verhandeln, denn an einer optimalen Förderung und Bildung aller Schülerinnen und Schüler im Land ist uns doch allen gelegen.
Förderschüler haben individuell angepasste sonderpädagogische Förderbedarfe und arbeiten in der Regel nach einem für sie von der Sonderschullehrkraft entwickelten Förderplan. Das ist gut so. Daher gelten für diese Schülerinnen und Schüler Sonderregelungen.
Die Beurteilung dieser Schülerinnen und Schüler geschieht im Rahmen eines individuellen Kompetenzrasters. Und genau aus diesem Grund ist es weder juristisch korrekt, noch macht es Sinn, mit einer Notenerteilung den Eindruck einer den allgemeinen Anforderungen entsprechenden Leistungsbeurteilung zu erzeugen.
Die Zeugnisverordnung geht sogar noch einen Schritt weiter und empfiehlt anstelle eines Halbjahreszeugnisses die Fortschreibung eines Förderplans. Dabei sollen die Eltern und die Schülerinnen und Schüler einbezogen werden.
Ich schätze es zwar einerseits sehr, dass AfD, SPD und SSW nun plötzlich den Wert von Noten erkannt haben, bedaure aber gleichzeitig, dass dies ausgerechnet an der Stelle geschieht, an der es aus unserer Sicht fachlich nicht geeignet ist.
Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Ulrich Hase, hat vor wenigen Tagen die Thematik gut zusammengefasst und wir kommen seinem Wunsch, das Thema und die Bedenken von Menschen mit Behinderungen nochmal intensiver im Bildungsausschuss zu behandeln, gerne nach.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel