Opferschutz | | Nr. 97/22
TOP 16/59/56: Opferschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich freue mich sehr, dass wir heute zum Ende der Legislaturperiode noch einmal eine Aussprache darüber haben, welche Bedeutung der Opferschutz in Schleswig-Holstein nicht nur für uns als politisches Handlungsfeld hat. Opferschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn jede Bürgerin und jeder Bürger kann Opfer von kriminellem Handeln werden. Der Rechtstaat muss sowohl im Bereich der Prävention als auch bei der Bewältigungsarbeit seiner Verantwortung bestmöglich gerecht werden, die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen.
Der aktuelle Opferschutzbericht, der erste Tätigkeitsbericht der Zentralen Anlaufstelle und der Opferschutzbeauftragten, sowie das Opferunterstützungsgesetz zeigen wieder einmal, dass die Landesregierung unter Federführung des Justizministeriums und wir als Parlament das gemeinsame Ziel haben, diese bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ich bedanke mich zunächst bei unserem Justizminister, Herrn Claussen, und seinem äußerst engagierten Team in den verantwortlichen Ressorts für die neuen wegweisenden Maßnahmen und Gesetzesinitiativen und vor allem den Raum, den der Opferschutz in dieser Legislatur bekommen hat. Sie haben den Worten im Koalitionsvertrag Taten folgen lassen.
Leider reicht die Redezeit bei weitem nicht aus, um die Breite und die Bedeutung der zahlreichen Maßnahmen aufzuzeigen, deswegen nur ein kurzer persönlicher Einblick. Es ist richtig, dass im Mittelpunkt aller Initiativen die Verzahnung von rechtsstaatlichem Handeln und zivilgesellschaftlichem Engagement steht. Denn es muss alles unternommen werden, um bestehende Lücken zu schließen und Synergieverluste vom Übergang der einen Verantwortlichkeit in die nächste zu vermeiden. Die vorliegenden Berichte zeigen im übrigen deutlich, dass eine erfolgreiche Begleitung von Opfern von Straftaten ohne die Einbindung der zahlreichen zivilgesellschaftlichen, oftmals ehrenamtlich strukturierten Unterstützungsangebote nicht leistbar wäre.
Zugegebenermaßen obliegen die rechts- und justizpolitischen Themen im Bereich der Strafverfolgung und des Opferschutzes, die Schärfungen des StGB und der StPO, der Verantwortung des Bundes. Auch dort hat sich vieles zum Besseren bewegt, insbesondere im Bereich der Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus und des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Kinderpornographie. In den vergangenen 5 Jahren hat die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ihrerseits flankierende Maßnahmen ergriffen, damit Bundesrecht erfolgreich umgesetzt werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die im Nachgang zu dem schockierenden Terroranschlag in Berlin im Juli 2020 geschaffene Zentrale Anlaufstelle für Opfer von Straftaten und deren Angehörige im Justizministerium und die Berufung einer unabhängigen Opferschutzbeauftragten, sind ein Meilenstein für den bestmöglichen Opferschutz. Der erste Bericht liegt uns heute bereits vor.
Sehr geehrte Frau Stahlmann-Liebelt!
Ich freue mich außerordentlich, dass die Landesregierung Sie gewinnen konnte, dieses Ehrenamt zu übernehmen. Wie ein roter Faden zieht sich das Bestreben, die individuellen Bedürfnisse der Opfer von Straftaten bestmöglich in den Blick zu rücken, durch Ihr berufliches Wirken als Leitende Oberstaatsanwältin. Sie wollen den Betroffenen helfen, sie aus dem Opferstatus herausholen, damit sie wieder aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Die Unerlässlichkeit der Zusammenarbeit mit den für die Opferbetreuung wichtigen Akteuren wie dem Weißen Ring, den Vereinen und den Interventionsstellen gegen Gewalt, war und ist Ihnen bewusst, das Arbeiten im Team ein Anliegen. Und ich bedanke mich in diesem Zusammenhang ebenfalls bei dem Team in der neu geschaffenen Zentralen Anlaufstelle. Den vielfältigen oft ganz individuellen Fragestellungen, Sorgen und Nöte der Betroffenen steht nun auch ein interdisziplinäres Team mit rechtlichen und sozialpädagogischen bzw. psychologischen Kenntnissen zur Seite. Bereits der erste gemeinsame Bericht belegt eindrücklich, mit wieviel Engagement und Tatkraft sie alle gemeinsam trotz der pandemiebedingten Einschränkungen tätig geworden sind. So befindet sich das Konzept mit konkreten Strukturen zur Bewältigung von Krisenfällen mit terroristischem Hintergrund in der Endphase.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es trifft sich besonders gut, dass die sexuelle Misshandlung von Kindern und Frauen ein Schwerpunkt im beruflichen Wirken von Frau Stahlmann-Liebelt gebildet hat. Und es ist kein Zufall, dass mit Unterstützung der Innenministerin, Frau Sütterlin-Waack und des Justizministers, Herrn Claussen, in Flensburg das erste Childhood-House seine Arbeit aufgenommen hat - ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche, die körperliche und sexualisierte Gewalt erfahren haben, in einem kindgerechten, geschützten Umfeld alle wichtigen Hilfen bekommen.
Über das Opferunterstützungsgesetz wird der Zentralen Anlaufstelle und der Beauftragten ein rechtssicherer Handlungsrahmen gegeben. Dies ist vor allem mit Blick auf datenschutzrechtliche Fragen wichtig. Das Gesetz beschreibt darüber hinaus eindeutig, dass keinerlei Konkurrenz zu den bestehenden vielfältigen zivilgesellschaftlichen Angeboten geschaffen werden soll. Deswegen stellt das Opferunterstützungsgesetz in § 4 klar, dass die Opferschutzbeauftragte zentrale Ansprechperson für die Belange Betroffener der Landesverwaltung ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gerade mit Blick auf die möglichen Gefahren, die sich im Zusammenhang mit dem aggressiven und menschenverachtenden Vorgehen Russlands in der Ukraine auch Auswirkungen auf Schleswig-Holstein haben könnten, bekommen Opferschutz und Krisenkonzept noch einmal eine ganz aktuelle Bedeutung. Die insbesondere im Bericht der Opferschutzbeauftragten aufgezeigten Lücken und Verbesserungsvorschläge müssen deshalb ernst genommen werden.
Gerne möchte ich nur einige Beispiele nennen:
Auch wenn Geld- und Freiheitsstrafen durchaus wirken, zur Herstellung des Rechtsfriedens wünscht sie sich noch kreativere Möglichkeiten. Sie mahnt an, dass die Betroffenen häufig zu spät auf ihre Opferrechte hingewiesen werden, die sich aus der StPO ergeben. Gerade beim Thema Opferentschädigung, dem Leistungsumfang des Opferentschädigungsgesetzes und der jeweilige Zuständigkeiten müssen die begonnenen Gespräche fortgesetzt werden und Klarheiten geschaffen werden. Bereits jetzt zeigt sich, dass sich sowohl Betroffene von Stalking als auch Betroffene von Betrugsdaten im Internet eine größere Unterstützung wünschen als die Anlaufstelle gewähren konnte. Gerade mit Blick auf die Betreuung Betroffener von Terroranschlägen und sonstigen Großanlagen, die mutmaßlich auf eine Straftat zurückgehen, ist ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch eine bestmögliche Vernetzung zentraler Opferstrukturen des Bundes und der Länder unerlässlich. Der Bericht endet mit der Aussage, die Inanspruchnahme der Zentralen Anlaufstelle sei ausbaufähig.
Vielleicht kann die heutige Beratung helfen, das breite Angebot insbesondere im Bereich der Inanspruchnahme der psychosozialen Prozessbegleitung, noch mehr in das Bewusstsein Betroffener zu bringen.
Am Ende meiner Redezeit bedanke ich mich für die breite Unterstützung von SPD und SSW. Dieser Zusammenhalt ist wichtig um auch über Legislaturperioden hinweg weiter zu wachsen und immer besser werden zu können.
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel