Gastschulabkommen | | Nr. 187/2016
Großer Nachbesserungsbedarf beim Hamburger Gastschulabkommen
Sperrfrist Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort
"Wir verfolgen das Ziel, bis zum Ablauf des bestehenden Gastschulabkommens Ende 2015 eine freie Schulwahl zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein zu erreichen."
So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW. Mit diesem populären Wahlversprechen haben SPD und Grüne bei der letzten Landtagswahl im Hamburger Rand um Stimmen geworben. Heute haben wir nun Ende April 2016. Wir können also feststellen: Versprochen und gebrochen!
Der Abschluss des Gastschulabkommens Ende 2010 zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein hat den damals stark begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Landes Schleswig-Holstein Rechnung getragen. Die 30 Millionen-Euro-Forderung Hamburgs war für Schleswig-Holstein schlichtweg nicht zu bezahlen.
So war es zweifelsohne ein Erfolg, für rund ein Drittel der geforderten Summe eine Besitz-standswahrung zu erreichen, so dass keiner der mehreren tausend schleswig-holsteiner Schüler an Hamburger Schulen diese verlassen musste. Folge war allerdings die Konsequenz eines stark eingeschränkten Zugangs für neue Schüler aus Schleswig-Holstein nach Hamburg.
Und genau hierin hat sich in den vergangenen Jahren auch die Schwäche des bestehenden Gastschulabkommens gezeigt. Ich will das an zwei konkreten Beispielen aus meinem Wahlkreis deutlich machen:
Die Gemeinde Stapelfeld liegt unmittelbar an der Hamburger Stadtgrenze. Dennoch dürfen die Schüler aus Stapelfeld nicht das wenige Kilometer entfernte Gymnasium Rahlstedt besuchen, sondern müssen täglich den doppelt oder dreifach so langen Weg nach Großhansdorf oder Trittau zurücklegen.
Besser haben es dagegen die Schüler aus Stapelfelds direkter Nachbargemeinde Barsbüttel, die aufgrund einer Ausnahmeregelung im Gastschulabkommen Hamburger Gymnasien besuchen dürfen.
Die Auszubildende zur Augenoptikerin aus der Gemeinde Ammersbek wiederum könnte in ihrem Heimatort sogar in die U-Bahn einsteigen und damit in 30 Minuten zur Berufsschule nach Hamburg fahren. Dennoch wird ihr eine Fahrt von 2 Stunden und 10 Minuten zur Berufsschule auf dem Priwall in Lübeck-Travemünde zugemutet - mit der Begründung, dass dort eine Blockbeschulung mit Internatsunterbringung angeboten wird, was sowohl für die Auszubildende als auch für den Ausbildungsbetrieb mit besonderen Beeinträchtigungen verbunden ist.
Diese Beispiele zeigen meines Erachtens sehr eindrücklich, weshalb Nachbesserungsbedarf am Gastschulabkommen besteht. Dennoch wurden die Kolleginnen Klahn und Franzen genau so wie ich bei unseren Anfragen zum Verhandlungsstand in den letzten Jahren immer wieder mit nichtssagenden Antworten der Landesregierung abgespeist. Das wäre ja noch zu verschmerzen gewesen, wenn die Regierungskoalition denn ihr Wahlversprechen per Ende 2015 eingehalten hätte. Stattdessen wurde das bestehende Gastschulabkommen aber automatisch, sang und klanglos um ein weiteres Jahr verlängert - ohne auch nur eine einzige Verbesserung herbeizuführen.
Genau an dieser Stelle setzte jetzt der Antrag der CDU-Fraktion an:
Wenn es der Regierung schon nicht gelingt, ihr Wahlversprechen einer freien Schulwahl über Landesgrenzen hinweg zu erfüllen, dann wäre es doch ein pragmatischer, erster Schritt, zumindest für einen begrenzten Kreis besonders betroffener Kommunen weitere Ausnahmeregelungen nach dem Beispiel der Gemeinde Barsbüttel auszuhandeln.
Anstatt aber diesen konstruktiven Vorschlag aufzugreifen und zügig umzusetzen, sorgen die Regierungsfraktionen erst einmal für eine Verschiebung des Antrags auf April und präsentieren dann heute trotzdem wieder nur einen Wischiwaschi-Antrag, wonach der Landtag die Landesregierung bei ihren Verhandlungen unterstützen soll.
Ja, hätten Sie das doch bloß früher schon einmal gesagt! Man ahnt ja nicht, dass die Landesregierung bei ihren Gesprächen unter Parteifreunden auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Selbstverständlich bin ich jederzeit bereit, an diesen Verhandlungen auch persönlich teilzunehmen. Bitte machen Sie von diesem Angebot dann aber auch wirklich Gebrauch, wenn Sie das heute tatsächlich so beschließen sollten.
Während der Kollege Habersaat aber schon öffentlich verkündet, dass eine Lösung kurz bevorsteht, ist in dem Antrag der Regierungsfraktionen jetzt etwas von einer schrittweisen Einführung zu lesen und die freie Schulwahl wird zum langfristigen Ziel heruntergestuft.
Meine Damen und Herren, da bin ich jetzt wirklich einmal gespannt, was die Bildungsministerin heute in dieser Debatte dazu verkünden wird.
Im Interesse der Schülerinnen und Schüler nicht nur im Kreis Stormarn, sondern im ganzen Hamburger Rand würde ich mir wünschen, dass die Landesregierung an dieser Stelle tatsächlich einmal Erfolg hat.
Schon jetzt ist die Landesregierung mit ihrem gebrochenen Wahlversprechen nicht nur wenige Monate im Verzug, sondern die Neuregelung kommt für einen kompletten Jahrgang zu spät, da die Auswahl der weiterführenden Schule für den Jahrgang 2016/2017 in den vergangenen Wochen bereits stattgefunden hat.
Eine wie auf immer geartete Neuregelung kann damit meines Erachtens frühestens zum Schuljahr 2017/2018 ihre volle Wirkung entfalten - mit anderen Worten erst in der nächsten Legislaturperiode.
Ich will deshalb nicht hoffen, dass die Lösung der Landesregierung darin besteht, jetzt einen neuen Vertrag abzuschließen, für dessen ungedeckte Finanzierung dann die Nachfolgeregierung aufkommen muss. Das wäre dann nicht nur ein gebrochenes Wahlversprechen, das wäre dann glatter Wahlbetrug!
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Max Schmachtenberg
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