| Nr. 322/07
Durch Überzeugungskonzept die Menschen mitnehmen
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Es gilt das gesprochene Wort
Wir beschäftigen uns heute nicht zum ersten Mal mit der künftigen Verwaltungsstruktur unseres Landes, doch noch nie zuvor haben wir eine so umfangreiche Datensammlung wie heute als Beratungsgrundlage gehabt.
Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich unserem Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen danken, der Anfang des Jahres den intensiven Kontakt zu den kommunalen Spitzenverbänden gesucht hat und gemeinsam mit ihnen die nunmehr vorliegenden Gutachten in Auftrag gegeben hat. Ihm ist es gelungen, den Prozess wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen; eine Grundvoraussetzung dafür, sinnvolle Veränderungen im Einvernehmen zu schaffen. Allerdings muss auch für den zukünftigen Prozess gewährleistet sein, dass die kommunalen Spitzenverbände weiterhin konstruktiv an der Reform mitarbeiten.
Schon das zwischenzeitlich verkündete Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zur dortigen Funktional- und Kreisstrukturreform gibt die Grundrichtung vor. In dem Urteil wird festgestellt, dass der Landtag grundsätzlich dazu berufen ist, eine Kreisgebietsreform durchzuführen. Dieser Punkt wird auch in Schleswig-Holstein diskutiert.
Ferner haben die Richter eine strukturelle Schieflage Mecklenburg-Vorpommerns festgestellt, beeinflusst durch einen zu hohen Schuldenstand des Landes und zu hohe Ausgaben von Land und Kommunen; die Kommunen stünden unter Konsolidierungsdruck. Die Investitionen sinken, während die Kassenkredite ansteigen.
Diese Feststellungen des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern treffen auch auf Schleswig-Holstein zu. Ohne unsere derzeitige Situation schwarz malen zu wollen, ist es unsere Pflicht als Landespolitiker, uns die gegenwärtige Lage zu verdeutlichen.
Die finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte ist dramatisch. Inzwischen hat allein das Land mehr als 22 Milliarden Schulden angehäuft und trotz des derzeitigen Aufschwungs kommen täglich neue hinzu. Auf der kommunalen Ebene stellt sich die Situation kaum besser dar. So darf es nicht weiter gehen!
In dieser schwierigen Lage sind der Landtag und die Landesregierung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Strukturen der Verwaltung zu überprüfen und sie an die bereits laufenden und die prognostizierten Entwicklungen der vorhersehbaren Zukunft anzupassen.
Das, so wurde es ausdrücklich von den Richtern festgestellt, darf auch eine Kreisgebietsreform einschließen.
Diese Aussage ist insbesondere für die Volksinitiative von Bedeutung, deren Gesetzentwurf gegen die Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung in dieser Landtagstagung noch behandelt und voraussichtlich abgelehnt werden wird.
Ihrer Argumentation ist das Landesverfassungsgericht entgegen getreten.
Was soll überhaupt noch in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallen, der gemäß der Landesverfassung für die Verwaltungsorganisation im Land zuständig ist, wenn nicht die Organisation der Kreisstrukturen?
Gleichzeitig zeigt das Urteil aber auch deutlich auf, dass der von der Union durchgesetzte Weg einer wirklich ergebnisoffenen und in jedem einzelnen Schritt wohl begründeten Strukturreform der einzig richtige ist. So haben die Richter vor allem die völlig unzureichende Begründung der Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern bemängelt.
Dies kann uns nicht vorgeworfen werden. So haben wir von den Herren Professoren, Bull, Ewer, Hesse, Kirchhof und Seitz fundierte Fakten für die weitere Diskussion erhalten. Für all diejenigen, die den Aussagen der Gutachter vorwerfen, dass ihre Berechnungen lediglich auf Schätzungen basieren, wiederhole ich noch einmal die Aussage des Landesverfassungsgerichts, dass Landtag und Landesregierung sowohl die laufenden als auch die prognostizierten Entwicklungen der vorhersehbaren Zukunft berücksichtigen müssen. Nichts anderes haben die Gutachter getan.
Sie haben Fakten über unsere Kreise ermittelt und Überlegungen über ihre zukunftsfähigkeit angestellt. So hat insbesondere Professor Hesse detailliert die strukturelle, funktionale bzw. aufgabenbezogene und finanzielle Situation der schleswig-holsteinischen Verwaltung auf der kommunalen Kreisstufe analysiert, um die, wie er es selber formuliert, Ausprägungen und den Umfang eines Neugliederungs- und / oder Kooperationserfordernisses zu identifizieren.
Er ist dabei u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass insbesondere bei Neumünster, Plön, Dithmarschen, Steinburg und Ostholstein besonderer Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Vergrößerung des gebietsstrukturellen Zuschnitts besteht (Seite 67).
So zeigt bei allen fünf genannten Kreisen bzw. kreisfreien Städten die emographiebilanz deutlichen Handlungsbedarf. Ferner weisen sie eine nur geringe Ausgleichsfähigkeit auf, wobei Dithmarschen aufgrund seiner deutlich erhöhten SGB II-Quote noch als besonderer Problemfall eingestuft wird.
Dies sind Fakten, die wir nicht in Frage zu stellen brauchen. Dafür haben wir schließlich die Gutachter beauftragt. Vielmehr sind wir nun an dem Punkt angekommen, die Gutachten sorgfältig auszuwerten und Schlussfolgerungen aus diesen Feststellungen zu ziehen.
Zunächst steht fest: Die kommunalen Verwaltungsregionen sind eindeutig vom Tisch!
Denjenigen, die an dieser Stelle lautstark vier Großkreise fordern, empfehle ich dringend das Gespräch mit einem versierten Juristen, der einmal die Grenzen des rechtlich Möglichen und auch faktisch Machbaren aufzeigt. Denn auch hier ist das Verfassungsgerichtsurteil eindeutig. Es hat das Selbstverwaltungsrecht der Kreise auf ein Niveau mit dem der Gemeinden gehoben. Gerade den gewählten ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern in den Kreistagen haben die Richter eine hohe Bedeutung zugewiesen. Schließlich müssen die Kreistagsabgeordneten noch in der Lage sein, die Probleme vor Ort bewerten zu können und das geht nur, wenn die Kreise überschaubar bleiben.
Das müssen wir auch in Schleswig-Holstein gewährleisten und das geht nicht mit vier Großkreisen.
Das wird auch das Innenministerium nach seinen angekündigten intensiven Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden erkennen.
Nach der umgesetzten Gebietsreform Anfang der siebziger Jahre hat die CDU das beste Kommunalwahlergebnis in der Geschichte Schleswig-Holsteins erzielt. Das beweist: Wenn ein überzeugendes Konzept vorliegt, können wir die Menschen vor Ort mitnehmen.
Wer die Bedenkenträger nur in der Union zu finden glaubt, dem empfehle ich einen Blick in die Regionalteile unserer Zeitungen. Dort wird nach der Präsentation der Gutachten das ganze Meinungsspektrum deutlich.
Wenn der SPD-Landesvorsitzende erklärt, die Kreisgebietsreform komme ohne wenn und aber, dann ist das das eine, die kommunale Landschaft ist das andere. So pocht seine Kollegin aus Dithmarschen weiterhin auf Freiwilligkeit.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende in Bad Segeberg wird mit den Worten zitiert, man habe Großkreise immer kritisch gesehen und das, obwohl die SPD in ihrem Koalitionsvertrag mit Bündnis 90 / Die Grünen noch beispielsweise 5 Regionalkreise und 2 kreisfreie Städte als erstrebenswert ansah.
Die SPD Neumünster lehnt die Aufgabe der Kreisfreiheit genauso ab wie der Oberbürgermeister.
Und der SPD- Landratskandidat in Rendsburg-Eckernförde hält das Gutachten für einen Schritt zu einer „intelligenten Kooperationslösung“.
Auch in den kleinen Parteien geht es hin und her: Die Grünen lehnen in Neumünster alles ab und der FDP-Fraktionsvorsitzende von Segeberg spricht von der Fusion aller Hamburger Randkreise.
Viel Überzeugungsarbeit ist also nötig, ein Basta wird ja abgelehnt.
Das Motto für alle sollte lauten: Jeder kehre vor seiner eigenen Türe.
Wie schon anfangs gesagt, hat es hat sich gezeigt, wie richtig es war, die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände von Beginn dieses neuen Anlaufs an einzubeziehen.
Jetzt kommt es darauf an, das neu gewonnene Vertrauen auszubauen und seitens des Landes die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich eine engere Zusammenarbeit für die kommunale Ebene auszahlt. So muss beispielsweise den Kreisen und kreisfreien Städten verbindlich mitgeteilt werden, wie ich eine mögliche Zusammenlegung auf den kommunalen Finanzausgleich auswirken wird. Die bisherige Regelung würde zu einer Verschlechterung führen, die kein Kreis ernsthaft als erstrebenswert ansehen wird.
Allerdings dürfen wir auch nicht bei all den Überlegungen unser eigentliches Ziel aus den Augen verlieren, das nach wie vor Aufgabenkritik, Aufgabenabbau und Aufgabenübertragung heißt.
Die Aufgabenkritik muss konsequent fortgeführt werden.
Schließlich ist sie zwingende Voraussetzung dafür, zu entscheiden, welche staatlichen Aufgaben weiterhin beim Land verbleiben müssen und welche Aufgaben in kommunale Aufgaben umgewandelt werden können. Die ursprünglichen Vorschläge des Finanzministeriums sind dafür der roter Faden. Die Übertragung von Aufgaben an Dritte muss entschieden umgesetzt werden. Doppelzuständigkeiten müssen vollständig aufgehoben werden, Aufgabenbündelungen hingegen so weit wie möglich eingeführt werden.
Im Mittelpunkt einer Verwaltungsstrukturreform steht der Bürokratieabbau, der Abbau von Vorschriften und die damit verbundenen geringeren Ausgaben für Verwaltung. Ohne den Nachweis der Wirtschaftlichkeit können wir uns eine Verwaltungsstrukturreform sparen!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel