Wirtschaft | | Nr. 199/17
Der Energieumbau ist ein langfristiger Prozess mit Haken und Ösen
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Mein Dank gilt dem Minister und den Mitarbeitern für die Berichte.
Die Botschaft der Anträge ist nicht eindeutig - entweder ist es eine Hommage an Detlef Matthissen oder es ist der Wahlkampfzeit geschuldet. Nur und das war immer mein Ansatz: Energiepolitik muss eine Gemeinschaftsaufgabe sein. Parteiübergreifend und das über Wahlkampfzeiten hinaus.
Der Systemwechsel in der Energiewirtschaft ist ein „gesellschaftspolitischer Auftrag“ der nicht im Wahlkampfturnus von Landtags- und Bundestagswahlen stehen darf. Die Rahmenbedingungen der schleswig-holsteinischen Energiewirtschaft enthalten vielfältige Unsicherheiten, die bei der Entwicklung von langfristigen Strategien berücksichtigt werden müssen.
Der Energieumbau ist ein langfristiger Prozess mit Haken und Ösen, der sorgsam und nachhaltig aufgearbeitet werden muss, wenn die Energieversorgung für Bürger und insbesondere für die Wirtschaft nicht zum Rohrkrepierer werden soll. Die „Übergangskonzepte“ müssen im Einklang stehen mit Blick auf ein europäisches Energiesystem.
Dass die Regierung sich feiern lassen will, zeigt die Tatsache, dass die regierungstragenden Fraktionen gleich zwei Berichte der Landesregierung abgefordert haben. Grundsätzlich bleibt uneingeschränkt bestehen, dass die Energiewirtschaft weiterhin auf den 3 Säulen – Verlässlichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit – aufsetzen muss. Das ist und bleibt der politische Auftrag.
Ihr Antrag 18/5317 „Keine Reststrommenge auf das Atomkraftwerk Brokdorf übertragen“ ist in Vorgehensweise und der Schlussfolgerung falsch. Der Atomausstieg ist besiegelt. Ich denke die Grundsatzdebatte, ob Kernenergie ja / nein stellt sich nicht mehr.
Die Übertragung der Strommengen ist nach §7 (1b) Atomgesetz (AtG) genehmigungspflichtig. Für die Genehmigung ist das Bundesministerium für Umwelt, Natur, Bau und Reaktorsicherheit zuständig und hat mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Einvernehmen herzustellen.
Schleswig-Holstein ist Netzengpassgebiet! Verehrte Kollegen, wir brauchen kein Verbot und eine neuerliche Auseinandersetzung, was wir brauchen sind zwei SPD-Bundesminister mit Verstand und Sie, Herr Minister, Vertrauen in die SPD. Ich erinnere nur an den Atomausstiegskompromiss von Rot-Grün aus dem Jahr 2002. Die damalige Novelle des AtG 2002 sah genauso die Übertragung von Reststrommengen vor.
Heute wie damals geht es um Rechtssicherheit und Verbindlichkeit. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Urteilen zur Übernahme der Kosten, u.a für die Endlagerung. Warum wollen Sie durch erneute Eingriffe neue Kostenrisiken für die Bürger eingehen? Ihre Argumentation zum Netzengpassgebiet ist für mich auch nicht schlüssig, wenn ich auf das EEG §11 Einspeisemanagement (1. 2) schaue.
„Der Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien, Grubengas und Kraft-Wärme-Kopplung muss gewahrt werden, soweit nicht sonstige Anlagen zur Stromerzeugung am Netz bleiben müssen, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu gewährleisten“. Brokdorf geht 2021 vom Netz – lassen Sie es gut sein.
Ich möchte aber in diesem Zusammenhang einen wichtigen Aspekt thematisieren: die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in der regenerativen Szene – oder Wandlung von Arbeitsplätzen aus anderen handwerklichen Disziplinen.
18.400 neue Arbeitsplätz in der Energiewirtschaft der Zukunft gegen den Verlust von hochtechnologischen Arbeitsplätzen in der Energiewirtschaft der Vergangenheit. Was sagen Sie diesen Beschäftigten und deren Familien, dass sie „früher“ nach Hause gehen können?
Stichwort - Technologie: Das Augenmerk der Politik muss verantwortungsbewusst auf das „Aussterben“ der Atomexperten gerichtet sein, damit in den kommenden Jahrzehnten die Rückbauszenerien der Atomkraftwerke auch nachhaltig und fachmännisch umgesetzt werden können.
Ewige Negativdiskussionen halten verständlicherweise junge Menschen davon ab, sich dem Thema Atomtechnik zu widmen. Hier ist es Aufgabe der Politik, einem gesamtgesellschaftlichen Problem entgegen zu wirken. Auch in dieser Fachdisziplin sind im Hinblick auf Rückbau, Behandlung und Endlagerung hochqualifizierte und hochdotierte Arbeitsplätze garantiert.
Zu Brokdorf: Gestern haben wir zum Thema Husum Vorhaltungen gehört – haben Sie sich vor Ort ein Bild der Situation gemacht haben Sie mit den Menschen gesprochen?
Herr Minister, haben Sie sich persönlich ein Bild um die Situation im Kernkraftwerk Brokdorf gemacht? Ich vermute NEIN!!! In Ihrer Pressekonferenz haben Sie betont, dass das Ereignis sicherheitstechnisch nicht relevant ist!! Bewusstes Skandalisieren will ich Ihnen nicht unterstellen – habe aber den Eindruck, dass das Ziel ausgegeben wurde, über den Wahltag zu kommen.
Wie der Presse zu entnehmen war, haben Sie Preussen Elektra vorgeworfen, im Alleingang Anträge zur Beladung mit Brennelementen eingereicht zu haben. Meine Frage: hat Preussen Elektra hier gegen Recht und Gesetz verstoßen oder ist dieses ein „normaler“ Vorgang der Anzeigepflicht? Solange nach Recht und Gesetz und unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften gehandelt wird, gehören alle Akteure für mich zum Kreis der deutschen Energiewirtschaft.
Sind es Wirtschaftsunternehmen, die Steuern und Abgaben in den Landeshaushalt (OWAG für Brokdorf alleine 18 Millionen) zahlen. Der konstruktive Umgang ist schon ein Gebot der Fairness. Mir kommt es so vor, als wenn nach dem Motto „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ nach guten und schlechten Energieversorgern und Marktteilnehmern verfahren wird.
Antrag 18/5319 – „Sachstand des Stilllegungs- und Abbauverfahren von Atomkraftwerken“
Die Mammutaufgabe „Rückbau“ läuft, so setze ich zumindest voraus, gutachterlich begleitet, in einem konstruktiven Miteinander offen und transparent ab. Hier bleibt vorrangig das Problem zur Entsorgung und Lagerung des Bauschutts aus den Kraftwerken. Die Entsorgungsströme sind grundsätzlich geregelt, nur an der Akzeptanz hängt es noch. Hier eine Moderation anzuschieben und sich bei einstellenden Differenzen abzuwenden, ist der falsche Weg. Die Zwischenlagerung der Brennstäbe aus dem Kraftwerk Brunsbüttel bleibt weiterhin ein „Buch mit sieben Siegeln“. Entscheidungen durch den Minister – zumindest öffentlich – Fehlanzeige.
Antrag 18/5318 – „Ausbau der Stromleitungsnetze und zur Verwendung regenerativer Energie“
Der Netzausbau an der Westküste läuft. Die ersten 13,5 Kilometer von insgesamt 120 Kilometern der 380 KV Leitung sind vollbracht. Der nächste Abschnitt befindet sich in der Realisierung. Die große Herausforderung mit dem Sprung über die Elbe und dem Weiterbau durch die Republik Richtung Süden stagniert.
Kritisch zu hinterfragen bleibt im Zusammenhang mit dem Ausbau der Westküstenleitung die Maßgabe, dass vorhandene und infrastrukturell ausgebaute und angebundenen Windparks wegen Küstenstreifen und Vogelzug nicht mehr im Repowering sind und somit über kurz oder lang zur grünen Wiese werden. Diese Strategie kann nur ideologisch begründet sein. Welche Leistung geht dem Netz verloren? Ist der Ausbau dann überdimensioniert?
Den Ausbau der Netze zahlen die Verbraucher, zahlen die Krankenschwester, die/der Krankenpfleger, die Kassiererin, der Handwerksmeister etc., all diejenigen, die Sie, Herr Stegner, in anderen Debatten immer wieder gerne bemühen.
Der Netzausbau kostet die Schleswig-Holsteiner in 2017 rund 178 Millionen Euro. Ökonomische Belange sind hier aus meiner Sicht völlig ausgeblendet. Zur Verwendung der „Regenerativen“ bleibt nur festzuhalten, dass es wichtig ist, aus wessen Feder die Grundansätze kommen. Seit mehr als 5 Jahren wird das Thema WindWärme aus einer kleinen Gruppe thematisiert und konzeptionell aufbereitet.
Mit dem Aufruf aus der Windszene zu „zuschaltbaren Lasten“ ist die Erkenntnis nun urplötzlich gewachsen und die Brücke für dieses Thema endlich geschlagen. Und das ist gut so. Richtig ist: Die Reduzierung der Einspeisemanagament-Kosten ist das Thema, welches kurzfristig gelöst werden muss, sonst geht die Akzeptanz für Regenerative völlig in den „Keller“. In Ihren Anträgen haben Sie ein Thema völlig ausgelassen. Das Thema Energieeffizienz.
Das Motto hierzu: Die sauberste und günstigste Energie ist immer noch die, die gar nicht erst erzeugt werden muss. Mit meiner letzten Rede möchte ich bei den Landesregierungen der „Zukunft“, in welcher Konstellation auch immer, darum werben, im Interesse aller Verbraucher und Nutzer eine verantwortungsvolle und nachhaltige Energiepolitik zumachen.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel