| Nr. 283/07
Berufliche Bildung stärker würdigen
Sperrfrist: Redebeginn
Es gilt das gesprochene Wort
Sie haben vor sich eine umfangreiche Antwort auf die große Anfrage der FDP-Fraktion, für die ich mich an dieser Stelle bereits recht herzlich bedanke und zwar beim Ministerium für Bildung und Frauen, beim Ministerium für Arbeit, Justiz und Europa und beim Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft. Sie sehen, mindestens 3 Ministerien sind in unterschiedlicher Weise an der beruflichen Bildung beteiligt, das Sozialministerium kommt hinsichtlich der Förderung der Menschen mit Behinderungen hinzu. Das führt zum Teil zu Kompetenzüberschneidungen, was umfangreiche und zeitaufwendige Abstimmung nötig macht. Das führt aber auch zu Konkurrenzdenken, was der beruflichen Bildung nicht immer förderlich ist. Zu wünschen wäre, dass berufliche Bildung in einer Hand konzentriert wird. Das würde die Übersichtlichkeit hinsichtlich der unterschiedlichen Förderkonzepte transparenter machen.
Ich freue mich, dass die berufliche Bildung in der heutigen Landtagsdebatte einen solch breiten Raum einnimmt. Viel zu häufig wird vergessen, dass die berufliche Bildung zwar keinen gleichartigen, aber gleichwertigen Weg zur Erlangung aller Bildungsabschlüsse bietet, vom Hauptschulabschluss im AvJ über den mittleren Abschluss in den Berufsfachschulen bis zur Fachhochschulreife, der fachgebundenen Hochschulreife und der allgemeinen Hochschulreife. Dieses Nischendasein der beruflichen Bildung zeigt sich bereits daran, dass im Landtag, wenn über Bildung diskutiert wird, in 80% der Fälle über Bildung im allgemein bildenden Schulwesen gesprochen wird, in 15% der Fälle über die Hochschulbildung und lediglich in 5 % über berufliche Bildung. Entsprechend wenig findet die Bildung und Ausbildung in beruflichen Schulen das Interesse der Presse-Öffentlichkeit. Dabei handelt es sich um ein in höchstem Maße differenziertes System, das den Interessen und Leistungen aller Schülerinnen und Schüler gerecht wird und - ich wiederhole noch einmal - alle schulischen Abschlüsse ermöglicht. 80,3% der Schülerinnen und Schüler an beruflichen Gymnasien sind ehemalige Realschüler. Das ist einmalig in Europa und beweist die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Es wäre wünschenswert, wenn diese Tatsache auch von den im Landtag vertretenen Parteien und von der Öffentlichkeit entsprechend gewürdigt werden würde.
Für die CDU-Fraktion hat die betriebliche Ausbildung im dualen System absoluten Vorrang vor einer vollzeitschulischen beruflichen Ausbildung, wie sie von einigen Parteien im Landtag gewünscht wird. Insofern verweise ich auf meine Ausführungen in der LT-Debatte vom November 2006.Tatsache war allerdings bis 2005, dass die Anzahl der beruflichen Ausbildungsplätze und damit die Anzahl der Berufsschulanfänger im Bereich des dualen Systems von 1990-2005 um etwa 11 000 zurückging, die Anzahl der berufsvorbereitenden Maßnahmen um etwa 3000 stieg und ein erheblicher Zuwachs im Bereich der Berufsfachschule sowie des beruflichen Gymnasiums zu verzeichnen war. Die Beruflichen Schulen haben auf diese Veränderung schnell reagiert und dafür gebührt ihnen unser besonderer Dank. Seit 2006 greift wieder deutlich das Bündnis für Arbeit mit erheblichen Anstrengungen. So konnten lt. Kieler Nachrichten vom 03. Juli 2007 616 neue Ausbildungsbetriebe mit 1021 neuen Lehrstellen eingeworben werden und die Landeszeitung berichtet, dass noch ca. 4900 Lehrstellen im Land nicht vergeben sind. Der Dank der CDU geht an die Ausbildungsaquisiteure, die mit erheblichen Anstrengungen die neuen Ausbildungsplätze eingeworben haben, er geht aber auch an die Unternehmen, die häufig über Bedarf Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, um den noch wachsenden Schulabgängerzahlen zu begegnen.
Allerdings und das darf nicht verschwiegen werden, war die Abbrecherquote im 1. Ausbildungsjahr mit rund einem Viertel relativ hoch, das mag an einer ungenauen Vorstellung der Jugendlichen von der beruflichen Wirklichkeit und den daraus resultierenden Konflikten mit dem Arbeitgeber liegen. Die CDU begrüßt daher ausgesprochen die „Landespartnerschaft Schule und Wirtschaft“ und die Arbeit der Serviceagentur, um den zukünftigen Schulabgängern eine realistische Vorstellung der künftigen Arbeitswelt und vermitteln und einen optimalen Übergang in die Ausbildung zu ermöglichen. Einen ähnlichen und richtigen Weg schlägt die Landesregierung mit dem „Handlungskonzept Schule und Arbeitswelt“ ein, das auch in Verbindung mit der Flexiblen Ausgangsphase in den Hauptschulen sowie den neuen Berufseingangsklassen benachteiligten Schülern Wege in die Arbeitswelt frühzeitig aufzeigt und die Ausbildungs- und Berufsfähigkeit stärken soll.
Die berufliche Bildung wird auch in Zukunft vor großen Herausforderungen stehen. Ich will hier nur einige nennen, auf die es in den nächsten Monaten und Jahren Antworten geben muss:
1. Die noch wachsende Zahl von Schulabgängern erfordert auch weiterhin eine erhebliche Anstrengung der Wirtschaft zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen im dualen System, aber auch der Landesregierung bezüglich der berufs- und ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen. Hier gibt es bereits gute Ansätze, die ich vorhin erwähnt habe. Probleme werden wir aber zukünftig mit dem Nachwuchs an Lehrern an beruflichen Schulen bekommen.
14 bzw. 12 examinierte Lehrer an den Universitäten Kiel und Flensburg im Jahr 2005 sind zu wenig, denn auch das Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer steigt. Vor allem sehr guten Hochschulabsolventen sollte zügig eine Referendarsstelle in Aussicht gestellt werden, um Abwanderungen zu verhindern. Um Quereinsteiger muss nach wie vor geworben werden. Um auch die Attraktivität des Studiums zum Berufsschullehrer zu erhöhen ist zu überlegen, ob die Studiengänge möglicherweise wieder in Kiel konzentriert werden könnten. Vor allem auch deshalb, weil in Flensburg nur vier Fächer als Zweitfächer studiert werden können.
2. Die Neuerungen auch infolge der Schulgesetznovelle sind hinsichtlich der RBZ-Regelung positiv aufgenommen worden, die Einführung der einjährigen Berufsfachschule als Ersatz für das 10. Hauptschuljahr wird regional unterschiedlich stark frequentiert - in Steinburg gab es große personelle, in Lauenburg Raumprobleme , Neumünster und Oldenburg z.B. sahen überhaupt keine Probleme. Zurzeit werden 40 Hauptschullehrer für ein Jahr an die beruflichen Schulen abgeordnet. Dadurch werden 1100 zusätzliche Schulplätze in der einjährigen Berufsfachschule geschaffen. Allerdings bietet die einjährige Berufsfachschule keinen Abschluss an, hier muss in Überlegungen eingetreten werden, ob auch hier ein abschlussbezogener Lehrgang zu vermitteln ist.
3. Die berufliche Fort- und Weiterbildung ist im Wesentlichen abhängig vom eigenen Interesse der Bildungswilligen, aber auch von der wirtschaftlichen und konjunkturellen Lage sowie der Anbieterstruktur. Die 12 Weiterbildungsverbünde bündeln die Angebote und informieren die Weiterbildungswilligen. Die Wertschätzung der Arbeit der 12 Weiterbildungsverbünde in Schleswig-Holstein zeigt sich auch daran, dass der Landtag jedes Jahr wieder erhebliche finanzielle Mittel bereitstellt. Das werden wir auch in Zukunft tun. Wichtig ist aber eine einheitliche Qualitätssicherung zum Schutze der „User“. Hier hat das Land die bundesweite Federführung für das Bund-Länder-Verbundprojekt zur „Qualitätstestierung in der Weiterbildung“ zur Etablierung eines bundesweit akzeptierten auf Organisationsentwicklung ausgerichteten Testierungsverfahren übernommen und das begrüßen wir sehr.
4. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung und damit verbunden die Anerkennung der in der beruflichen Ausbildung erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen für weitere Bildungsgänge macht Fortschritte, ist aber noch nicht abschließend gelöst. Ein erster Schritt, die Anerkennung der Meisterprüfung als Hochschulzugangsberechtigung, ist im neuen Hochschulgesetz etabliert. Die Einführung eines Punktesystems im berufsbildendenen Bereich ist die Voraussetzung für die Verzahnung von beruflicher und Hochschulbildung (Stichwort ECVET) und die Anerkennung der deutschen beruflichen Ausbildung im europäischen Rahmen .Daran wird von Seiten der Landesregierung gearbeitet. Da aber nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in Deutschland und Europa eine Einigung über einen nationalen und europäischen Qualifikationsrahmen erreicht werden muss, können schnelle Ergebnisse sicher nicht erzielt werden, auch wenn das wünschenswert ist.
Die berufliche Bildung ist ständigen Veränderungen unterworfen, mehr als der allgemein bildende Bereich. Wir werden uns diesen Veränderungen stellen und sie positiv –kritisch begleiten.
Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Sprechen Sie uns an:
Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel