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Alleinerziehende brauchen dringend eine gute und passgenaue Kinderbetreuung
Es gilt das gesprochene Wort
Sperrfrist Redebeginn
Zuerst möchte ich mich beim Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit für die Beantwortung der Großen Anfrage bedanken.
Viele Fragen waren zum Teil auch durch datenschutzrechtliche Aspekte und Bedenken häufig schwierig bis unmöglich zu beantworten. Für Orte, die kleiner als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner sind, werden keine spezifischen Daten zu Alleinerziehenden erhoben.
Festzustellen ist, dass sich im Zeitraum von 2005 bis 2009 die tatsächliche Zahl der Alleinerziehenden im Land nur unwesentlich von 88.000 auf 89.000 erhöht hat. Der Anteil der Frauen betrug 86% – auch hier gab es in diesem Zeitraum kaum wesentliche Verschiebungen der Geschlechteranteile. Die meisten weiblichen Alleinerziehenden - mit ca. 30% - gibt es in der Altersgruppe zwischen 35 – 45 Jahren.
Die meisten allein erziehenden Väter sind etwas älter, nämlich zwischen 45 und 55 Jahren. Ihr prozentualer Anteil beträgt in dieser „stärksten“ Gruppe 23%. Und wenn man es optimistisch betrachten will, lässt sich auch ein kleiner Trend hin zu mehr Erziehungsbereitschaft bei Männern erkennen. Das ist sehr erfreulich. Der Anteil Alleinerziehender unter den Studierenden in Schleswig-Holstein beträgt etwa 5,5 Prozent. Hier wurde keine Differenzierung zwischen Frauen und Männern vorgenommen.
Eine Umfrage des Instituts Allensbach, im Auftrag der Bundesrepublik, kommt zu der Aussage und dem Fazit, dass die soziale Einbindung der Alleinerziehenden jenseits der Familie, nicht nennenswert schwächer ist, als bei Eltern in Partnerschaften.
Jedoch entspricht nur bei 14% der befragten Zielgruppe das Leben ohne Partnerschaft deren Wunschvorstellung.
Zwei Drittel der allein erziehenden Frauen sind erwerbstätig und deutlich häufiger in Vollzeit beschäftigt als Frauen aus Paarbeziehungen. Allein 52.000 Alleinerziehende arbeiten in nicht selbständigen Beschäftigungsverhältnissen. Seitens der Bundesagentur für Arbeit stehen Arbeitsuchenden, allein erziehenden Frauen und Männern diverse Angebote zur Verfügung. Von beruflicher Weiterbildung, über spezielle Integrationsmodelle mit sozialpädagogischer Betreuung bis hin zu Maßnahmen zur Wiederherstellung der beruflichen Beschäftigungsfähigkeit für Berufsrückkehrerinnen. Sowie diverse lokale Angebote der Agenturen für die Alleinerziehenden.
Der Anteil von allein erziehenden Arbeitslosen Frauen und Männern verringert sich seit 2005 stetig. Dieses gilt auch für den Anteil an den Langzeitarbeitslosen. Besonders allein erziehende Berufsrückkehrerinnen stehen hier vor großen Hindernissen und Schwierigkeiten. Sie benötigen Betreuung, die auch mal über das übliche Maß hinausgehen muss und die sich auch an den Öffnungszeiten, beispielsweise wie bei der Gastronomie und dem Einzelhandel, orientieren sollten. Zudem brauchen sie Notfalllösungen für den Fall der Fälle, wenn z.B. mal ein Kind erkrankt ist. Es werden einfach gute Netzwerke benötigt.
Netzwerke, wie in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Dort hilft das Projekt „Helena“, das von der Wirtschaftsakademie im Kreis Stormarn – in Kooperation mit der Fraueninitiative e.V. und dem Kreis Herzogtum Lauenburg durchgeführt wird. Hier wird den Müttern und gegebenenfalls auch den Vätern konkret geholfen, die zahlreichen Hürden auf dem Weg zurück ins Berufsleben zu überwinden. Start für „Helena“ war vor einem Monat im Januar - für die Projektdauer von zwei Jahren. Alleinerziehende brauchen diese und ähnliche Möglichkeiten, um wieder in den Beruf einzusteigen. „Helena“ empfiehlt sich für das ganze Land zur Nachahmung. Besonders zu erwähnen und herauszustellen ist auch das Engagement der Handwerkskammern und der IHKs für Alleinerziehende, die seit 2005 erfolgreich Ausbildung in Teilzeit anbieten.
Beim beruflichen Aufstieg von Alleinerziehenden ist eine Teilzeitbeschäftigung bedauerlicherweise immer noch ein Karrierehemmnis, das vor allem Frauen betrifft. Lediglich 1/3 der Frauen ist in Vollzeit beschäftigt. Hier hilft eine qualifizierte und gut ausgebaute Kindertagesbetreuung den Frauen und Männern weiter. Diese ist die wesentlichste Voraussetzung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier unternehmen vor allem die Kommunen in Schleswig-Holstein größte Anstrengungen um den steigenden Bedarf an Betreuungsangeboten von der Krippe bis zur Schule zu decken. Höchste Priorität genießt der bedarfsgerechte Ausbau der Betreuung für die unter 3-Jährigen. Hier ist unser Land auf einem guten Weg. Bund, Land und Kommunen investieren ernorm in den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung unserer Kleinsten. Allein das Land Schleswig-Holstein stellt seit Beginn des Jahres 60 Millionen Euro hierfür zur Verfügung.
Gute Erfolge gibt es auch im Bereich des Ausbaus der Ganztagsbetreuung von Schulkindern zu vermelden. So wurden im Schuljahr 2010/2011 252 Betreuungsangebote in der Primarstufe und insgesamt 439 offene Ganztagsschulen vom Land unterstützt; sowie weitere 33 gebundene Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein. Von diesen Angeboten können besonders allein erziehende Langzeitarbeitslose profitieren. Im März 2010 gab es 24.164 schleswig-holsteinischen Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II von Alleinerziehenden mit insgesamt 37.011 Kindern unter 18 Jahren. Dieses entspricht etwa fast jeder 5. Bedarfsgemeinschaft in Schleswig-Holstein. Alleinerziehende sind die Erwerbsgruppe, die am meisten armutsgefährdet ist, wobei es jedoch bedauerlicherweise hier noch keine konkreteren Zahlen gibt. Was sehr zu wünschen wäre, um noch gezielter gegensteuern zu können.
Nun zur Unterhaltssituation:
Im Trennungs- und Scheidungsfall erhalten etwa 2/3 aller Elternteile relativ problemlos den gesetzlichen Unterhalt für die Kinder. Die Zahlungen von Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz belasten die Landeskasse jährlich mit rund 21 Millionen Euro. Ein Rückgriff auf die Unterhaltspflichtigen ist bedauerlicherweise nur bei etwa einem Drittel möglich. Hier müssen aus unserer Sicht bessere Mechanismen und Wege gefunden werden, die Zahlungsbereitschaft zu erhöhen und um somit ein weiteres Armutsrisiko zu verringern. Zum Elterngeldbezug ist festzustellen, dass im Jahr 2009 in Schleswig-Holstein 6.660 Frauen Elterngeld bezogen. Das entsprach einem prozentualen Anteil von 87%. Frauen erhielten im statistischen Bundesdurchschnitt 2009 - 612,- Euro monatlich, bei steigender Tendenz. Die 13% Männer erhalten etwa ein Drittel mehr. Hier spiegelt sich einmal mehr das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern wider.
Bezüglich der Wohnsituation Alleinerziehender gibt es keine wesentlichen Unterschiede zu erkennen. Nur in der Metropolregion, in der Nähe von Oberzentren und in einzelnen Tourismusstandorten gibt es eine angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt. Hier werden dringend praktikable Lösungen vor Ort benötigt. Alleinerziehende Haushalte wohnen vorwiegend zur Miete und vorwiegend in kostengünstigen Wohnungen, wobei ihnen eine gute Anbindung an den ÖPNV sehr wichtig ist. Zur gesundheitlichen Lage Alleinerziehender ist zu bemerken, dass sie häufiger krank und weniger glücklich als Paare sind. Dies ergab eine Studie des Robert-Koch-Institutes. Es wird deutlich, dass die allein erziehenden Frauen ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität allgemein schlechter einschätzen als Mütter, die verheiratet sind. Das verbindliche Einladungswesen in Schleswig-Holstein zu Vorsorgeuntersuchungen für Kinder durch das Kinderschutzgesetz, führt zur Vorbeugung von Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung. Eltern werden ab der so genannten U4 an die Untersuchungen erinnert. So soll kein Kind verloren gehen.
Zusammenfassend ist festzustellen:
Alleinerziehende sind überdurchschnittlich von Armut betroffen. Sie müssen die Möglichkeit haben, Vollzeit zu arbeiten: Sie brauchen dringend eine gute und passgenaue Kinderbetreuung. Und genau daran arbeiten wir mit zunehmendem Erfolg seit Jahren. Wir unterstützen die Landesregierung bei der Fortsetzung der erfolgreichen Familienpolitik. Alleinerziehende dürfen nicht die Verlierer im sozialen Miteinander und auf dem Arbeitsmarkt sein. Bund, Länder und Kommunen sind dauerhaft bemüht, durch besondere familienbezogene Leistungen einen Ausgleich zu schaffen, um somit das Risiko zu verringern, in die Armut abzugleiten. Das Berufsleben stellt große Anforderungen in Bezug auf die Flexibilität und Mobilität von allein erziehenden Frauen und Männern. Hier werden zunehmend ebenso flexible und verlässliche Kinderbetreuungsangebote gebraucht, sowie mehr Ganztagsangebote für die Schülerinnen und Schüler.
Dieses allein reicht häufig jedoch nicht aus. Es werden auch familienfreundliche Arbeitszeiten nötig sein. Alleinerziehende brauchen hier auch dringend ein Entgegenkommen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei den Arbeitszeiten. Eine familienfreundliche Personalpolitik zeichnet den familienfreundlichen Betrieb aus.
Fast alle allein erziehenden Arbeitslosen brauchen unterstützende, auf ihre Situation zugeschnittene Angebote oder Projekte des Arbeitsmarktes, um den Weg zurück in Berufsleben erfolgreich zu schaffen. Und davon profitieren alle Seiten des Arbeitsmarktes. Familienbewusste Maßnahmen von Unternehmen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur Deckung des Bedarfs an Fachkräften sehr sinnvoll. Ich zitiere: „Alleinerziehende sind überdurchschnittlich motiviert, wollen wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen und sind in der Mehrzahl gut qualifiziert“. Dieses ist ein Zitat von Corinna Schmidt, der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, der Agentur für Arbeit in Neumünster. Und damit hat sie recht!
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Max Schmachtenberg
Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel