Schule ohne Smartphone

Seit einigen Wochen wird auch in Schleswig-Holstein eine öffentliche Debatte über Handys an Schulen geführt. Unsere Redaktion hat dazu diese Woche mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecher Martin Balasus gesprochen.

Balasus vertritt seit der Landtagswahl 2022 den Wahlkreis Pinneberg-Elbmarschen im Landtag und war vor seinem Einzug ins Parlament als Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte in Wedel tätig.

Redaktion: Moin Herr Balasus, an den Grundschulen in unserem Land sind Handys bzw. Smartphones für Schülerinnen und Schüler weitgehend untersagt. Sie sind mit Ihrem Vorstoß, den Umgang mit Smartphones auch an weiterführenden Schulen schärfer zu regulieren, diese Woche noch einen Schritt weitergegangen. Warum ist das notwendig?

Balasus: Seit Jahren beschäftigen uns schon die Themen Mobbing, Cybermobbing und Gewalt an Schule. Dieses Thema hat sicher viele Ursachen. Eine Ursache ist aus meiner Sicht die stetig wachsende Bedeutung von Smartphones im Leben unserer Kinder – mit dieser Einschätzung bin ich nicht allein, viele Experten bestätigen sie. Viel zu lange haben wir es dabei auf die lange Bank geschoben, für strikte und verbindliche Regelungen zum Umgang mit Smartphones an unseren Schulen zu sorgen. An den Grundschulen im Land sind sie mittlerweile weitgehend untersagt. Aber auch hier würde ich sagen, dass wir noch klarer werden können. An Grundschulen haben Smartphones für Schülerinnen und Schüler einfach gar nichts verloren und auch für weiterführende Schulen brauchen wir eine schärfere Regulierung.

Redaktion: Hier werden Sie auch mit Gegenwind rechnen müssen. Reicht es nicht aus, wenn die Schulen vor Ort entscheiden und individuelle Regelungen treffen?

Balasus: Viele Schulen haben hier schon von ihren Möglichkeiten Gebrauch gemacht und innerhalb ihrer Kompetenzen Regelungen erlassen. Es gibt aber aus anderen Parteien und auch aus der Schülerschaft harten Gegenwind. Schulen und Lehrerschaft wünschen sich eine klare und verbindliche Regelung. Das Thema hat mittlerweile über die ganze Schullandschaft eine Dimension erreicht, bei der ich glaube, dass es richtig und notwendig ist, dass wir jetzt eine klare landespolitische Regelung treffen und unseren Schulen vor Ort damit den Rücken stärken.

Redaktion: Was erwidern Sie Kritikern, die sagen, es sei aus der Zeit gefallen, Smartphones aus der Schule zu verbannen?

Balasus: Smartphones gehören zum modernen Leben dazu, erleichtern vieles und haben ihre unbestreitbaren Vorzüge. Aber wir dürfen auch die Augen vor den Schattenseiten nicht verschließen. Wenn viele Jugendliche heutzutage zehn Stunden am Tag vor dem Smartphone sitzen, sich dauerhaft zerstreuen oder zweifelhafte Angebote im Internet nutzen, dann dürfen wir das nicht auch noch in der Schule einfach so hinnehmen. Darüber hinaus bleibt es natürlich Aufgabe der Schulen, Medienbildung zu betreiben und über einen kritischen Umgang mit Sozialen Medien und dem Internet aufzuklären.

Redaktion: Medienbildung und Eigenverantwortung reichen also nicht aus, um das Problem zu lösen?

Balasus: Eigenverantwortung ist immer gut, aber das müssen unsere Kinder ja auch erst einmal erlernen. Für Filme und Videospiele gibt es doch mit der Altersfreigabe auch eine klare Regelung. Mit dem Smartphone haben unsere Kinder aber meist vollkommen unbegrenzten und unkontrollierten Zugang zu Gewaltvideos, Pornografie, Propagandainhalten und dergleichen. Das haben wir viel zu lange ignoriert. Der verantwortungsbewusste Umgang mit digitalen Endgeräten muss erlernt werden und bewusst Thema in den Schulen sein. Die Omnipräsenz der Geräte müssen wir aber strikt beenden. Das ist übrigens nicht alleine die Verantwortung von Schule, hier sind auch Gesellschaft und vor allem Eltern und Familien viel stärker in ihrer Verantwortung gefordert.

Redaktion: Vor Ihrer Zeit im Landtag waren Sie selbst als Lehrer an einem Gymnasium tätig. Welche Erfahrungen haben Sie dort mit Handys an der Schule gemacht?

Balasus: Als Lehrkraft kann man nicht zum Beginn jeder Stunde kontrollieren, ob alle 25 Handys im Klassenraum ausgeschaltet sind. Natürlich werden Handys dann sowohl im Unterricht als auch in den Pausen genutzt. Smartphones lenken ab und stören die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler. Die Geräte sind Schauplatz für Mobbing und behindern die soziale Interaktion. Kinder und Jugendliche sollen sich auf den Unterricht konzentrieren und in den Pausen gemeinsam Zeit verbringen, miteinander schnacken, spielen, sich bewegen oder in Ruhe Kraft tanken. Unsere Kinder müssen in der Schule auch Fokussierung und Konzentrationsfähigkeit erlernen. Schule hat die Aufgabe, aufs Leben vorzubereiten – dazu gehört nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch das Entfalten sozialer Eigenschaften. Meine Erfahrung ist, dass die private Handynutzung während der Schulzeit dem häufig entgegensteht.

Redaktion: Wie steht die Wissenschaft zu einem Handyverbot?

Balasus: Es gibt hier mittlerweile einige Studien, wie beispielsweise die Überblicksstudie der Universität Augsburg, die zu dem eindeutigen Ergebnis kommen, dass ein Smartphone-Verbot das soziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler messbar verbessert. Und eben dieses Wohlbefinden hat einen wesentlichen Einfluss auf den Lernerfolg.

Redaktion: Handyverbot also gleich bessere Noten?

Balasus: Ja, jedenfalls habe ich die Hoffnung, dass ein Smartphone-Verbot, neben den bereits genannten positiven Effekten, mittelfristig auch mit besseren schulischen Leistungen einhergehen könnte.

Redaktion: Gibt es hier Beispiele aus anderen Ländern für solche Regelungen?

Balasus: Ja, die gibt es in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Italien gibt es bereits ähnliche Regelungen und auch Dänemark hat sich gerade auf den Weg gemacht. Wir wären also nicht die ersten, die Smartphones an den Grundschulen ganz verbieten und ein verbindliches Regelwerk an weiterführenden Schulen anstreben.

Redaktion: Wie sieht der politische Fahrplan nun konkret aus?

Balasus: Bildungsministerin Karin Prien hat sich mit dem „Kieler Dialog“ zur Smartphone-Nutzung an Schulen auf den Weg gemacht und alle Interessengruppen bei diesem Thema eingebunden. Am 17. März findet die dritte und letzte Veranstaltung dieser Reihe statt, danach wird ein Vorschlag unterbreitet, wie das rechtlich geregelt werden könnte. Dabei kommt es jetzt nicht auf Tage oder wenige Wochen an – dennoch muss es zügig gehen!

Redaktion: Herr Balasus, vielen Dank für das Gespräch!

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